© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/20 / 31. Januar 2020

Ende eines schwedischen Intermezzos
Vor dreihundert Jahren besiegte der Soldatenkönig die Schweden und konnte darauf im Frieden zu Stockholm Teile Vorpommerns für Preußen gewinnen
Jan von Flocken

Daß der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. von Preußen keinen einzigen Krieg geführt habe, ist ein oft zu lesender Irrtum. Während seiner 27 Thronjahre ging es zwar weitgehend friedlich zu, doch schon 1715 stand ein bewaffneter Konflikt bevor. Schwedens kriegerischer Monarch Karl XII. war nach seinem elend gescheiterten Rußlandfeldzug auf abenteuerlichen Wegen wieder in Stralsund, der Hauptstadt Schwedisch-Vorpommerns, erschienen.

Unbelehrbar schmiedete Karl neue gefährliche Pläne. Sein seit 15 Jahren tobender „Großer Nordischer Krieg“ gegen Rußland, Dänemark und Sachsen erfaßte 1715 auch Preußen. Schwedische Truppen besetzten im Frühjahr das preußische Wolgast sowie die Halbinsel Usedom. Unter Führung des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau schlugen die Preußen mit 40.000 Mann schnell zurück. Schon im Juli setzten sie, ausgestattet mit schwerem Belagerungsgerät, mittels einer Pontonbrücke über den Fluß Peene und vereinigten sich mit dänischen Truppen vor Stralsund. Am Weihnachtstag 1715 eroberten sie die Stadt und im April 1716 Wismar als letzten schwedischen Stützpunkt in Norddeutschland.

Nach dem gewaltsamen Tod von Karl XII. 1718 mußte das völlig ausgepumpte Schweden sich zu Verhandlungen bequemen. Die neue Königin Ulrika Eleonora wollte vor ihrer geplanten Abdankung zugunsten des Ehemannes noch ein politisches Resultat vorweisen. Nach langem Feilschen einigten sich die Parteien am 1. Februar 1720 im Frieden zu Stockholm. Die Unterhändler, Reichskanzler Johann August Meijerfeldt für Schweden und Staatsminister Friedrich Ernst Freiherr zu Knyphausen für Preußen, erlangten in 22 Artikeln einen weittragenden Kompromiß. Demnach fielen ganz Vorpommern südlich der Peene mit der strategisch bedeutsamen Oderfestung Stettin sowie Usedom und Wollin an Preußen. Dies solle „in perpetuum“ (für immer und ewig) gelten. Im Gegenzug mußte Berlin insgesamt zwei Millionen Reichstaler, zahlbar in drei Raten, an den ehemaligen Gegner erstatten.

Interessant für den damaligen Zeitgeist ist eine Vertragsklausel: „Es soll auch beiderseits eine immerwährende Vergessenheit und Amnestie alles dessen sein, was an der einen oder der anderen Seite, es sei auf welche Art auch immer, Feindliches oder Widerwärtiges gegeneinander vorgekommen sein mochte, und soll deren keines dem anderen Teile (...) zugerechnet oder vergolten werden.“ Keine Rede von Rache- oder Siegerjustiz, vielmehr solle „dessen nimmer gedacht werden“.

Preußens volle Staatskasse erleichterte die Zahlung

Die Zahlung der zwei Millionen Reichstaler fiel dem preußischen Fiskus nicht sonderlich schwer, denn der seit 1713 regierende Friedrich Wilhelm I. hatte dem Land strengste Sparsamkeit verordnet. Kaum war sein Vater, Preußens erster König, unter der Erde, verkaufte er den Krönungsmantel, dessen Diamantknöpfe allein je 30.000 Dukaten gekostet hatten. Das Tafelsilber aus allen königlichen Schlössern ließ er einschmelzen, kürzte die Bezüge der Hofbeamten. Eine rigide Finanzkontrolle durch die neue „Oberrechenkammer“ sorgte seit 1714 für ständig steigende Steuereinnahmen.

Für Preußen bedeutete der Erwerb Vorpommerns, ein Territorium von 5.200 Quadratkilometern, einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zur europäischen Großmacht. Nicht zu vernachlässigen: Auch 150.000 Bauern, Handwerker und Steuerzahler sowie künftige Soldaten wurden damit Untertanen des Königs von Preußen. Schließlich galten die Bewohner Pommerns als fleißig und zuverlässig. Ganz im Sinne von Friedrich Wilhelm I.; der hatte schon zu Beginn seiner Regierung erklärt: „Menschen erachte ich für den größten Reichtum.“