© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/20 / 07. Februar 2020

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
In eurem Bunde der dritte
Jörg Kürschner

Fraktionsaustritte im Monatsrhythmus, doch AfD-Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann gibt sich unbeeindruckt. „Das sind starke Solisten“, meinte er auf die Frage der JUNGEN FREIHEIT nach Konsequenzen wegen des Ausscheidens der Abgeordneten Verena Hartmann. Nach Ex-Parteichefin Frauke Petry, Mario Mieruch, Uwe Kamann und Lars Herrmann ist die frühere Polizistin aus Sachsen das fünfte Mitglied, auf das die AfD-Bundestagsfraktion verzichten muß. 

Ein schmerzlicher Aderlaß für die Fraktionsführung, sinken doch die Zuschüsse und reduziert sich die Redezeit. Es könnte für die größte Oppositionsfraktion noch schmerzlicher kommen, wenn weitere Abgeordnete das Weite suchen. Acht Abgeordnete reichen wohl, um vom Bundestag als „Parlamentarische Gruppe“ (PG) anerkannt zu werden. Auf einen Schlag würden sich die Arbeitsbedingungen der fünf Fraktionslosen erheblich verbessern. 

„Die Gruppe erhält die für ihre parlamentarische Arbeit erforderliche finanzielle, technische und personelle Unterstützung“, heißt es im Standardkommentar zur Geschäftsordnung des Bundestages. Gruppen dürfen Mitglieder in die Fachausschüsse entsenden – den eigentlichen Arbeitseinheiten des Bundestages –, eine begrenzte Zahl von Aktuellen Stunden beantragen und im Ältestenrat die Tagesordnung des Plenums beeinflussen. Materiell wird einer PG das Recht eingeräumt, Gesetzentwürfe, Anträge sowie Anfragen einzubringen. Die Befugnisse der Mini-Vereinigungen sind im Laufe der Jahre stetig erweitert worden, unterscheiden sich nur noch wenig von denen der Fraktionen, denen bis zu 246 Abgeordnete (CDU/CSU) angehören. Eine komfortable Lage, die die Ex-AfDler ausgerechnet der PDS zu verdanken hätten. Die SED-Nachfolgepartei hatte nach der Wiedervereinigung mehrfach die Fraktionsmindeststärke verfehlt und vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich eine rechtliche Schlechterstellung beklagt. 

Doch ist der Weg zur PG noch lang. Lars Herrmann will sich nach Informationen der JF an einer Gruppe nicht beteiligen, und soll dies bei einem Treffen der fünf AfD-Ehemaligen, zu dem Kamann eingeladen hatte, klargestellt haben. Der IT-Unternehmer aus Düsseldorf rechnet „mit einer ganzen Reihe von Abgeordneten, die die Fraktion verlassen werden“, wie er auf JF-Anfrage betont. Aber Kamann stellt Bedingungen. „Dies müßte mit einer glaubwürdigen Distanzierung von der derzeitigen politischen Positionierung der AfD einhergehen. Wer erst auf den letzten Drücker austritt, nachdem er keine Chance mehr auf einen sicheren Listenplatz sieht, kann meines Erachtens nach nicht Teil einer neuen Gruppe im Bundestag werden“. Der Renegat möchte ein Signal setzen und AfD-Abgeordnete „mit einem bürgerlichen Weltbild“ vereinen. 

Jedenfalls hat sich Frauke Petry, die wohl noch einige Rechnungen mit ihren früheren Mitstreitern offen hat, zu früh gefreut. Sie sah die PG bereits „in greifbare Nähe“ gerückt. Vorerst wird sie weiterhin ihr freudloses Dasein als fraktionslose Solistin fristen, ignoriert im Plenum und machtlos in den Ausschüssen.