© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/20 / 07. Februar 2020

Mit Posten schachern und vertuschen
Österreich: Bei der Casino-Affäre steht nicht nur die FPÖ in der Kritik, Schatten fällt zunehmend auch auf die ÖVP
Paul Leonhard

Aufklärung und Transparenz haben die Grünen Österreichs stets als ihre Kernanliegen herausgestellt – solange sie in der Opposition waren. Seit sie Juniorpartner der ÖVP sind, scheinen sie wie verwandelt. „Niemand von uns hat je daran gedacht, daß das Parlament einmal vor den Grünen geschützt werden muß. Jetzt ist es soweit“, konstatiert nun der frühere grüne Chefaufklärer Peter Pilz und fragt seine einstigen Mitstreiter: „Ist euch klar, daß euch die ÖVP gerade in politische Sicherungshaft nimmt?“

„Ja, da geht es nicht nur um Strache, sondern auch um Kurz“, so Pilz weiter. Da werde sich wahrscheinlich sogar „herausstellen, daß der politische Mißbrauch der Casinos von Kurz und seiner Partei und nicht von Strache ausgegangen“ sei. Da werde sich auch eigen, daß der „Novomatic-Deal nicht nur blau, sondern vor allem türkis“ gewesen ist. Daher werde es nicht nur um „alte blaue, sondern um regierende türkise Köpfe“ gehen. „Wollt ihr wirklich Kurz, Blümel, Löger, Rothensteiner, Pröll und Glatz-Kremsner schützen? Seid ihr wirklich schon der grüne Schweif, mit dem der türkise Hund wedelt“, schrieb der Ex-Grüne den Grünen in Stammbuch.  

Gemeint ist die Causa Casinos, eine für Österreich nicht untypische Affäre, die sich um die Vorwürfe der Bestechung, Untreue und Postengeschacher im Bereich des Glücksspiels dreht und die im Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre, die die ÖVP/FPÖ-Regierung zu Fall brachte, ans Licht der Öffentlichkeit gelangte. 

In dem heimlich aufgezeichneten Video aus dem Jahr 2017 spricht der damalige FPÖ-Politiker und spätere Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache den verhängnisvollen Satz: „Novomatic zahlt alle.“

Die Novomatic AG ist mit etwas mehr als 17 Prozent an der Casinos Austria AG (Casag) beteiligt und bestimmt einen der Aufsichtsräte. Der zweitgrößte Aktionär – nach der tschechischen Sazka-Gruppe mit rund 38 Prozent – ist die Republik Österreich über die Österreichische Beteiligungs AG (Öbag) mit 33,24 Prozent. Die Casag betreibt zwölf Spielbanken im Land, die jährlich von rund drei Millionen Gästen besucht werden und glänzende Geschäfte machen.

Straches verhängnisvollem Novomatic-Satz im Ibiza-Video folgten mehrere anonyme Anzeigen, die derart datailliertes Insiderwissen enthielten, daß die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft inzwischen gegen zehn Personen ermittelt und mehrere Hausdurchsuchungen durchgeführt hat. 

Straches Anwalt dementiert Interventionen von HC

Es geht dabei auch um die Frage, von wem und zu welchen Bedingungen der ehemalige FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo trotz mangelnder Qualifikation auf einen Casag-Vorstandsposten lanciert wurde. Um die Wahl von Sidlo zum Finanzvorstand möglich zu machen, mußte zuvor der alte Vorstand abgesetzt und entschädigt werden, was nach einem Bericht des Standards 7,5 Millionen Euro gekostet haben soll. Die Casag dementierte das.

In der Casino-Affäre ist „gekaufte Politik“ nicht nur geplant, sondern offenbar auch umgesetzt worden. Führende FPÖ-Politiker sollen in Aussicht gestellt haben, im Falle eines FPÖ-Wahlsiegs in Wien das „kleine Glücksspiel“ wieder zu genehmigen. Unter Einbindung des ehemaligen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP), dessen Kabinettchefs Thomas Schmid, inzwischen Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG, und des auch für das Glücksspiel zuständigen Finanstaatssekretärs Hubert Fuchs (FPÖ) sollen geplante Beschränkungen, die Novomatic geschadet hätten, aus einer Gesetzesnovelle gestrichen worden sein. Straches Anwalt dementiert jedoch, daß das auf Intervention seines Mandanten geschehen sei.

Ermittelt wird gegenwärtig neben den genannten auch gegen den FPÖ-Politiker Johann Gudenus, den Casag-Aufsichtsratspräsidenten Walter Rothensteiner, und früheren Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) sowie gegen Novomatic-Eigentümer Johann Graf und Novomatic-Vorstand Harald Neumann.

Sidlo stehe der FPÖ nahe und seine Nominierung sei daher die beste Lösung für das Unternehmen, habe ihm Neumann gesagt, soll Robert Chvátal, Chef der Sazka-Gruppe, nach einem Bericht des Magazins profil als Zeuge den Ermittlern mitgeteilt haben. Damit sei für ihn klar gewesen, daß „die Politik zurück im Unternehmen Casag war“. Aufsichtsratsvorsitzender Rothensteiner habe ihm gesagt, „wir müßten es akzeptieren, Sidlo sei ein Muß“. Es sei irgendein „Hintergrunddeal mit den Blauen“ gelaufen.

Auch weiteres Postengeschacher seitens der ÖVP und FPÖ ist in den Blick der Öffentlichkeit gerückt. Es geht um die Tochter des Porr-Aktionärs Klaus Ortner, Iris Ortner, die von der schwarz-blauen Regierung in den Aufsichtsrat der Staatsholding Öbag berufen wurde, nachdem ihr Vater insgesamt eine Million Euro an Sebastian Kurz und die ÖVP gespendet hatte. Auch andere Kurz-Spender und ihre Familien sollen Medienberichten zufolge staatsnahe Posten bekommen haben, so unter anderem Teresa Pagitz, Wolfgang C. Berndt und insbesondere Bettina Glatz-Kremsner, die zur Casag-Chefin aufstieg. 

Nachdem die Online-Plattform ZackZack.at in dem am 21. Januar veröffentlichten Bericht „Millionen für Kurz-Vize-Bettina Jackpot“ über ihr Gehalt und ihre Bonuszahlungen berichtete, klagte sie vor dem Handelsgericht Wien auf Unterlassung und Urteilsverkündung. Die Plattform wird wiederum von dem bei seiner Kandidatur als Nationalrat gescheiterten und mit seiner Partei überkreuz liegenden Peter Pilz befeuert.

SPÖ und Neos gehen auf Grüne los 

Da dieser an der Aufklärungsarbeit in dem auf Antrag von SPÖ und Neos eingerichteten Untersuchungsausschuß zur „mutmaßlichen Käuflichkeit der schwarz-blauen Bundesregierung“ politisch nicht mitwirken darf, versucht er sich als Journalist. 

Während die grünen Ausschußmitglieder betonten, daß man sich dafür einsetzen werde, daß die „Korruption hinausgefegt wird“, wirft die Opposition ihnen vor, der ÖVP beim Vertuschen zu helfen: Themen, die der Volkspartei potentiell schaden könnten, sollten offensichtlich nicht hinterfragt werden.

Warum sonst habe sie den Untersuchungsauftrag, der ursprünglich Ibiza-Affäre, Causa Casinos Austria und Postenvergabe in staatsnahen Unternehmen umfassen sollte, auf das Thema Casag reduziert, fragt sich nicht nur der Ex-Grüne Pilz verwundert. SPÖ und Neos klagen daher vor dem Verfassungsgerichtshof. „Die Justiz hat die Verantwortung, strafrechtliche Aspekte zu beleuchten, es ist unsere Aufgabe im Parlament, die politische Verantwortung zu klären“, so SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.