© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/20 / 07. Februar 2020

Dem Desaster entfliehen
USA: New Hampshire soll den Fehlstart der Demokraten bei der US-Vorwahl in Iowa vergessen machen
Thorsten Brückner

Noch mehr als die Versammlung (Caucus) der US-Demokraten in Iowa, deren Ergebnis für die Kandidaten zu Redaktionsschluß noch nicht vorlag, gelten die Vorwahlen in New Hampshire als erster wichtiger Stimmungstest für Präsidentschaftskandidaten. Und dies, obwohl bei den Demokraten der Sieger in Iowa seit 2000 stets auch am Ende die Nominierung erhielt. 

Daß New Hampshire noch mehr Bedeutung beigemessen wird als dem Hawkeye-Staat im Mittleren Westen liegt auch an der Natur der Vorwahl. Bei der „halb-geschlossenen“ Primary dort dürfen auch Nichtparteimitglieder, Unabhängige und sogar Republikaner wählen, die sich vor der Abstimmung noch rechtzeitig als Demokraten oder Unabhängige registrieren lassen. 

Multimillionär Bloomberg läßt New Hampshire sausen 

Daher gilt New Hampshire als Stimmungstest, welcher Kandidat besonders die im November so wichtigen unabhängigen Wähler erreichen kann. 2016 schaffte Bernie Sanders im „Live free or die State“ einen Erdrutschsieg gegen Hillary Clinton. Auch 2020 sagen alle Umfragen dort Sanders einen Sieg voraus.

Um den zweiten Platz würden demnach Ex-Vizepräsident Joe Biden, der frühere Bürgermeister von South Bend, Indiana, Pete Buttigieg, die Senatorin von Massachusetts, Elizabeth Warren und die Senatorin von Minnesota, Amy Klobuchar, kämpfen. Doch Überraschungen sind in New Hampshire nicht ausgeschlossen. Hier setzte der bereits als aussichtslos gehandelte Gouverneur von Arkansas, Bill Clinton, 1992 mit einem unerwarteten zweiten Platz hinter Paul Tsongas zu seinem langen Marsch ins Weiße Haus an, nachdem er kurz zuvor in Iowa auf magere 2,8 Prozent der Stimmen gekommen war.

 Allerdings hat die Vorwahl in New Hampshire noch eine andere entscheidende Funktion – sie bereinigt das Feld. Wer in Iowa und New Hampshire besonders schwach abschnitt, hat es deutlich schwerer, seine Anhänger zu motivieren und Spenden einzutreiben, um bis zum „Super Tuesday“  – in diesem Jahr am 3. März – kompetitiv zu bleiben.

 Geldprobleme muß der frühere Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, nicht fürchten. Der Multimilliardär, der bislang bereits fast 300 Millionen Dollar für seinen Wahlkampf ausgegeben hat, läßt Iowa und New Hampshire sausen und konzentriert sich ganz auf den 3. März. Den Verlust von 65 Delegiertenstimmen in den ersten beiden Staaten könnte er mit starken Auftritten an diesem Tag in Kalifornien (415 Delegierte), Texas (228) und North Carolina (110) locker verschmerzen. 

Allerdings wird auch Bloomberg die Wahlkampfstrategie von Rudy Giuliani noch gut in Erinnerung sein. Sein Vorgänger im Amt des Bürgermeisters im Big Apple ließ 2008 Iowa ausfallen und machte in New Hampshire nur halbherzig Wahlkampf, nur um kurz darauf in Florida sang- und klanglos auszuscheiden.

Die Demokraten haben sich in diesem Jahr einiges vorgenommen. Donald Trump soll im November aus dem Oval Office gejagt werden. Dafür hat die Partei sogar eine Reform ihrer Delegiertenverteilung unternommen. Die sogenannten „Super Delegates“, die 2016 den Sieg Clintons über den „demokratischen Sozialisten“ Sanders fast unvermeidbar gemacht haben, dürfen nicht mehr abstimmen, wenn ein Kandidat eine absolute Mehrheit der gewählten Delegierten auf sich vereinen kann.

Trump: „Ich bin der einzige, der in Iowa siegte“

Doch daß bei der Partei mit dem Esel im Wappen noch gewaltig Sand im Getriebe ist, zeigte nicht zuletzt der erste Caucus in Iowa. Wegen einer technischen Panne konnten dort die Ergebnisse nicht mehr am Wahlabend verkündet werden. Im Trump-Lager sorgte dies für Hohn und Spott. „Und das sind die Leute, die unser gesamtes Gesundheitssystem leiten wollen“, sagte Trumps Wahlkampfleiter Brad Parscale.

„Ein vollkommenes Desaster“ nannte Trump die Abstimmung seiner Konkurrenten. Nichts funktioniere, gerade so, wie sie das Land regiert haben, twitterte er am Dienstag und strotzte vor Selbstvertrauen: „Die einzige Person, die gestern Abend in Iowa einen sehr großen Sieg erringen konnte, ist ‘Trump’“. 

Für ihn lief es ganz nach Plan. Über 97 Prozent der Caucus-Wähler schenkten ihm ihr Vertrauen. Spätestens seit dem Ausscheiden des früheren Gouverneurs von South Carolina, Mark Sandford, fehlt Trump ein ernstzunehmender Widersacher. 

Doch nicht nur das Ergebnis wird bei den Republikanern mit Genugtuung wahrgenommen. Auch die Caucus-Beteiligung deutet auf eine nach wie vor motivierte Basis hin. Obwohl Trumps Sieg von vornherein feststand, schenkten mehr Republikaner als je zuvor einem Amtsinhaber ihrer Partei das Vertrauen.