© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/20 / 07. Februar 2020

Dorn im Auge
Christian Dorn

Dialektisch geschult an der EOS „Bertolt Brecht“ (1985 bis 1989), denke ich im Reichstagsgebäude – bei der Einweisung zum Medienempfang der AfD-Bundestagsfraktion im Reichstagsgebäude im ersten Stock („rechts oben“) – an das gleichentags ergangene Urteil gegen die denunziatorische Internetplattform „linksunten“. Von ganz anderer Qualität sind derweil die Reflexionen des Repräsentanten Taiwans, S.E. Jhy-Wey Shieh, in der Bibliothek des Konservatismus am selben Abend, wo die Zuhörer über die schicksalhafte Geschichte Formosas (der „schönen Insel“) aufgeklärt werden, die im asiatischen Raum als „Leuchtturm der Demokratie“ gesehen wird und als „unsinkbarer Flugzeugträger“ der Freiheit. So betrachtet der in Bochum promovierte Germanist Shieh das Verhältnis von Taiwan zur VR China als „großartig“ – schließlich sei China „groß“ und Taiwan „artig“. Dabei kritisierte Shieh die illusionäre deutsche Außenpolitik, die gern von Tauwetter träume, aber stattdessen in ein „Kotau“-Wetter gerate. Überhaupt, so Taiwans Diplomat abschließend, „machen wir manchmal einen Kniefall, damit man uns nicht gegen das Schienbein tritt“. Diese Botschaft dürfte der Botschaft der VR China ebensowenig passen wie die sonstigen Aktivitäten von Taiwans Vertretung. So sollen von den 400 Mitarbeitern der Botschaft Pekings allein 50 für die Überwachung von Professor Shieh und seiner Administration abgestellt sein.


Diese Paranoia zeichnet auch für das „virale Marketing“ verantwortlich, das der ganzen Weltöffentlichkeit die Inkompetenz des kommunistischen Herrschaftsanspruchs unter dessen Führer Xi Jinping vor Augen führt. Anders als die „Peking-Ente“ (sprich: Fake News) des von Chinas Gnaden gewählten WHO-Präsidenten weismachen will, der Chinas Aktivitäten zur Bekämpfung des Coronavirus ausdrücklich lobt, hatte die chinesische Polizei acht Ärzte in Wuhan, die bereits Ende Dezember vor dem Virus gewarnt hatten, wegen der Verbreitung „falscher Angaben“, die „die öffentliche Ordnung in ernster Weise bedroht“ hätten, verhaftet und gezwungen, sich per Unterschrift von den von ihnen verbreiteten „Gerüchten“ zu distanzieren und darüber Stillschweigen zu bewahren. Ebenso unwidersprochen respektiert der Westen die alljährliche „Peking-Ente“ von zuletzt sechs Prozent Wirtschaftswachstum – das tatsächlich, so 2018 der renommierte Ökonom Xiang Songzuo, weniger als zwei Prozent betrage. Wo bleibt die Wirklichkeit? Resigniert kaufe ich mir im Zeitungskiosk eine Flasche „Corona“-Bier.