© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/20 / 07. Februar 2020

Der Diskreditierung entgegentreten
Juristische Auseinandersetzungen: Alternative Medien gegen Politik und Öffentlich-Rechtliche
Ronald Berthold

Wollen Claudia Roth und ARD-„Faktenfinder“ Patrick Gensing kritische liberal-konservative Medienportale im Internet mundtot machen? Derzeit laufen gleich zwei Klagen. Gensing versucht, dem früheren Focus-Korrespondenten und heutigen Blogger Boris Reitschuster indirekt die Verbreitung eines Zitats von ihm zu verbieten. Außerdem verklagen Tichys Einblick und die Achse des Guten die grüne Bundestagsvizepräsidentin Roth wegen Rufschädigung auf Unterlassung.

Besonders grotesk erscheint das juristische Vorgehen des ARD-Mannes gegen Reitschuster, der bei Twitter ein sogenanntes Meme geteilt hatte, das Gensings Konterfei mit folgendem Ausspruch zeigte: „Ich glaube, daß man die Leser eher gewinnen kann, wenn im Journalismus eine Haltung vertreten wird, als wenn da einfach nur Fakten angehäuft werden. In meinen Augen ist das auch überhaupt nicht Journalismus.“ Darüber schrieb Reitschuster, dies habe mit Journalismus wenig zu tun, sondern „trifft eher die Definition von Propaganda aus dem Duden“. Reitschuster weiter: „Da sind die Maßstäbe völlig verrutscht im ÖR – und sie merken nicht mal, daß sie mehr Agitatoren als Journalisten sind.“ 

Angebliche Verletzung von Bildrechten

Daß daneben auch noch die Duden-Definition von Propaganda („Systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o.ä. Ideen und Meinungen mit dem Ziel, das allgemeine Bewußtsein in bestimmter Weise zu beeinflussen“) stand, dürfte Gensing, der aus seiner Nähe zur Antifa nie einen Hehl machte, besonders geärgert haben. Was aber tun, wenn beide Zitate richtig sind, Gensing in seiner Funktion aber blamieren? Der „Faktenfinder“, der auch Chef vom Dienst der „Tagesschau“ ist, zeigte sich besonders findig und verklagte Reitschuster wegen der Verbreitung des Fotos. Daran besitze er die Rechte, daher hätte der Blogger es nicht teilen dürfen.

Wohlgemerkt: Reitschuster hatte das Meme nicht erstellt, sondern nur weitergeleitet – wie viele vor ihm. Wer in den sozialen Medien unterwegs ist, weiß, daß beim Teilen oft keiner prüft, ob eine Copyright-Verletzung beim Bild vorliegen könnte. Viele Nutzer teilen täglich solche „Kacheln“.

Gensings Anwalt legte den Streitwert auf 6.000 Euro fest und verlangte die Privatadresse Reitschusters. Falls er dies verweigere, würden weitere 1.144,78 Euro fällig. Detektive riefen unter fadenscheinigen Gründen sogar die Eltern und den Bruder Reitschusters an, um die Anschrift herauszufinden. Obwohl Gensing nur seine NDR-Adresse angibt, hatte das gesamte Drohszenario gesessen. Reitschuster bekam die Klage zugestellt und hat sich nach anfänglichem Zögern wegen des finanziellen Risikos entschieden, den Fall doch auszufechten. Seine Leser spendeten dafür. Er sagt: „Gensing hat eindrucksvoll belegt, mit welchen Mitteln mit unseren Gebührengeldern hoch dotierte und weich gepolsterte ÖR-Journalisten gegen Kritik vorgehen. Und gegen freie Journalisten.“ Reitschusters Anwalt hat die Klage erwidert. Ob es zu einem Urteil kommt, entscheidet ein Kölner Richter.

Dessen Kollege in Stuttgart ist schon weiter. Er verhandelt derzeit die Klage Roland Tichys gegen Claudia Roth. In Dresden klagt Henryk M. Broder in derselben Sache; zu einem Prozeß ist es dort noch nicht gekommen. Die Politikerin hatte in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen behauptet: „Wir müssen die Stichwortgeber benennen, all diese neurechten Plattformen, deren Geschäftsmodell auf Hetze und Falschbehauptungen beruht – von Roland Tichy über Henryk M. Broder bis hin zu eindeutig rechtsradikalen Blogs.“

Roths Anwalt, der Presserechtler und taz-Gründer Johannes Eisenberg, meint, dabei handele es sich um eine zulässige Meinungsäußerung. Diese wäre vom Grundgesetz gedeckt. Tichys Anwalt Joachim Steinhöfel hält dagegen, zumindest Tichys Geschäftsmodell als „Hetze und Falschbehauptungen“ darzustellen, sei eine Tatsachenbehauptung – und die wäre justitiabel. Der Stuttgarter Richter muß nun entscheiden, wie Roths Aussage formal einzuordnen ist. Wie sehr die Tichy vorgeworfene „Hetze“ auf Roth zurückfällt, war deren Rechtsanwalt offenbar nicht bewußt, als er Steinhöfels Akten vor Gericht als „Scheiß“ bezeichnete.

Wie auch immer das Gericht am 13. Februar urteilt, steht Roths Absicht fest: Sie will die Reputation angesehener, kritischer Internetmedien zerstören. Sowohl Tichys Einblick als auch Broders Achse des Guten gehören zu wichtigen Foren der Gegenöffentlichkeit. Sie greifen Themen auf, die in Gensings „Tagesschau“ unter den Tisch fallen. Inzwischen lesen Millionen Deutsche diese Medien. Auch die juristische Attacke Gensings gegen Boris Reitschuster hat dessen Blog reitschuster.de großen Zulauf beschert. Der Journalist schreibt: „Diese Website wäre ohne seine Abmahnung nie in dieser Form entstanden – und so erfolgreich geworden, mit einer Million Abrufen in einem Monat.“