© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/20 / 07. Februar 2020

Als der Polizistenmörder ein Finanzamt besetzte
Vor siebzig Jahren wurde das Ministerium für Staatssicherheit der DDR gegründet, um die SED-Diktatur gegen jede Opposition zu sichern
Thomas Schäfer

Für die Kremlführung war 1945 klar, daß in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) über kurz oder lang eine Geheimpolizei nach dem Vorbild der legendären Außerordentlichen Allrussischen Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage (WeTscheKa) geschaffen werden müsse. Galt es doch, jedweden Widerstand gegen die Etablierung der kommunistischen Herrschaft in der SBZ zu brechen. Dazu bediente sich Moskau einmal mehr seiner Marionette Walter Ulbricht, welche bis 1950 zum Generalsekretär des Zentralkomitees (ZK) der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und damit de facto mächtigsten Mann avancierte. Ulbricht sorgte dafür, daß der kommunistische Polizistenmörder vom Berliner Bülowplatz, Erich Mielke, der zwischen 1931 und 1945 in der UdSSR, Spanien, Belgien und Frankreich gelebt hatte, im Macht- und Verwaltungsapparat der SBZ reüssierte und bereits am 1. Dezember 1945 zum Abteilungsleiter für Polizei und Justiz beim ZK der KPD ernannt wurde. 

Ohne Kontrolle durch Parlament und Regierung

Dadurch war Mielke in der Lage, ab 1946 im Auftrag Ulbrichts die Deutsche Verwaltung des Innern (DVdI) aufzubauen, in der er selbst Vizepräsident sowie Zuständiger für Personalfragen wurde und die der Vorläufer des späteren DDR-Ministeriums des Innern war. Gleichzeitig machte sich Mielke daran, eine politische Polizei aus dem Boden zu stampfen, die über zahlreiche Spitzel verfügte und auch geheimdienstliche Aufgaben erfüllte. Diese firmierte unter der kryptischen Bezeichnung „K5“. Am 28. Dezember 1948 gab Moskau dann „Grünes Licht“ für den Ausbau der „K5“ zu einem formellen Staatssicherheitsorgan, dessen Aufgabe lautete: „Abwehr von Sabotage …, Attentaten und sonstigen Verbrechen, Sprengstoff- und Waffenvergehen, Bekämpfung illegaler Organisationen, sowie Kampf gegen antidemokratische Tätigkeit.“ 

Der nächste Schritt auf diesem Wege erfolgte unmittelbar nach Gründung der DDR: Mit dem direkten Einverständnis Stalins mutierte die „K5“ am 12. Oktober 1949 zur Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft im neuen Ministerium des Innern, die Erich Mielke unterstand. Wenig später, am 24. Januar 1950, faßte das Politbüro des ZK der SED den Beschluß zur Gründung eines eigenständigen Ministeriums. Daraufhin billigte die DDR-Volkskammer am 8. Februar 1950 einstimmig das „Gesetz über die Bildung eines Ministeriums für Staatssicherheit“ vermittels Umwandlung der Mielkeschen Hauptverwaltung. Als Sitz dieses Ministeriums, welches weder der Kontrolle des Parlaments noch der Regierung unterlag, wurde das ehemalige Finanzamt Berlin-Lichtenberg in der Normannenstraße bestimmt.

Damit hätte Erich Mielke nun eigentlich den nächsten Karrieresprung machen können – wenn er denn zum Minister ernannt worden wäre. Doch jetzt zeigte sich einmal mehr der Einfluß Moskaus, welches einen anderen Kandidaten bevorzugte. Das war der bisherige Chef der Hauptverwaltung Ausbildung im Ministerium des Innern, Wilhelm Zaisser. Der genoß im Kreml größeres Vertrauen, hatte er doch bereits für zwei sowjetische Geheimdienste gearbeitet: die Hauptverwaltung für Aufklärung beim Generalstab der Roten Armee (GRU) und die Abteilung für Internationale Verbindungen (OMS), also den Nachrichtendienst der Kommunistischen Internationale. Außerdem war er nicht wie Mielke nach seinem Einsatz im Spanischen Bürgerkrieg, bei dem er unter dem Decknamen „General Gómez“ operiert hatte, in Westeuropa geblieben, sondern umgehend in die Sowjetunion zurückgekehrt.

Mielke mußte sich mit der Position eines Staatssekretärs und Stellvertreters von Zaisser begnügen. Allerdings war er für die Organisation und Verwaltung sowie das operative Geschäft des MfS verantwortlich und somit der eigentliche Chef des Ganzen. Außerdem legte Mielke eine geradezu sklavische Treue zur Partei- und Staatsführung an den Tag, weswegen er schließlich doch noch zum Minister aufstieg, nachdem Zaisser 1953 und dessen Nachfolger Ernst Wollweber 1957 wegen Unfähigkeit und Illoyalität geschaßt worden waren.