© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/20 / 07. Februar 2020

Knapp daneben
Bierkulturnation in Gefahr
Karl Heinzen

Zahlreiche Branchen, die einst unsere Wirtschaft prägten, sind dem Untergang geweiht. Das Klagelied sollte dennoch niemand singen. Automobilhersteller, Kraftwerksbetreiber, Chemieunternehmen, Waffenproduzenten und Banken waren stets ethisch fragwürdig. Wir sollten dankbar sein, wenn sie aus unserem Leben verschwinden. 

Um eine Branche, die ebenfalls von Zukunftsängsten geplagt ist, wäre es allerdings schade: Auch die deutschen Brauereien sind im Abwärtstrend, und im vergangenen Jahr sank ihr Absatz sogar unter einen besonders markanten Schwellenwert. 2019 wurden im wiedervereinigten Deutschland nur noch 92 Millionen Hektoliter Bier getrunken. Dieser Wert ist geringer als jener, den die Statistik allein für das Gebiet der westdeutschen Bundesrepublik im Jahr 1988 ausweist.

Warum müssen Fußballspieler in den Pausen unbedingt Wasser trinken?

An Erklärungen für diese traurige Entwicklung mangelt es nicht. Die meisten Einwanderer stammen aus Weltregionen ohne gefestigte Bierkultur, und unsere Integrationsprogramme sehen davon ab, ihnen einen Zugang zu der deutschen zu verschaffen. Die Vergreisung unserer Gesellschaft fordert ebenfalls ihren Preis. Alte Menschen vertragen weniger, und Demente vergessen schlichtweg oft, das von ihnen eigentlich gewünschte Bier zu trinken. Der Gesundheits- und Arbeitsschutzfanatismus hat den Alkohol im Alltag zurückgedrängt. Wer wagt es weiterhin, ein Bier in der Frühstückspause zu trinken? Wer gönnt sich noch schnell ein letztes Gläschen, bevor er ins Auto steigt? Bier ist Grundnahrungsmittel, Kulturgut und Gemeinschaft stiftende Medizin gegen die Entsolidarisierung unserer Gesellschaft zugleich. Den Bierkonsum wieder zu steigern, ist daher ein öffentliches Anliegen. Der Gesetzgeber könnte diesem Auftrag gerecht werden, indem er die Promillegrenze wieder anhebt. Vorstellbar wäre auch, öffentliche Kantinen anzuweisen, nur noch Bier auszuschenken. Auch der Fußball, der auf so vielen anderen Gebieten erfolgreich Zeichen gesetzt hat, könnte seinen Beitrag leisten. Warum müssen Spieler in den Trinkpausen unbedingt Wasser trinken? Wäre Bier nicht viel bekömmlicher?