© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/20 / 14. Februar 2020

Verdrängter Konflikt
Westsahara: Marokko forciert den Druck, und die Saharauis drohen mit dem Aufstand
Wolfgang Bendel

Gut gelaunt zeigte sich Marokkos Außenminister Nasser Bourita an der Seite des ivorischen Regierungssprechers Sidi Tiemoko. Die Eröffnung des ivorischen Konsulats in der Westsahara stelle eine „politische und diplomatische Geste dar, die eine starke symbolische Bedeutung“ habe, erklärte Bourita Ende Januar. 

Zuvor hatte die marokkanische Diplomatie bei der Verwaltung der Westsahara-Akte schon weitere unerwartete Erfolge erzielt. Neben der Elfenbeinküste eröffneten die Zentralafrikanische Republik, der Inselstaat São Tomé und Príncipe, die Union der Komoren, Gabun, Gambia und Guinea vor kurzem Generalkonsulate in den Städten El Aaiún und Dajla.

Der Konflikt schwelt seit 1975 

Die Konsulate verstärken die „Realität, daß die Sahara durch das Gesetz, die Geschichte, den Willen der Bevölkerung und die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft“ zu Marokko  gehört, betonte der Außenminister nach Angaben der Morocco World News. 

Dem nicht genug. Anfang vergangener Woche meldete das US-amerikanische Nachrichtenportal Axios, daß Israel und die Vereinigten Staaten eine Vereinbarung diskutiert haben, die die Anerkennung der marokkanischen Souveränität in der besetzten Westsahara vorsehe. Marokko habe laut israelischen und amerikanischen Quellen erste Schritte zur Normalisierung der Beziehungen zu Israel unternommen.

Dies wäre allerdings ein höchst umstrittener Schritt, der den internationalen Vereinbarungen zuwiderläuft. Algerien und vor allem die saharauische Widerstandsbewegung Frente Polisario sind entsetzt über die Entwicklung und verwiesen die Angelegenheit an die Vereinten Nationen und die Afrikanische Union.

Die „Unnachgiebigkeit Marokkos“ könne das saharauische Volk dazu drängen, zur Eskalation überzugehen und alle Mittel einzusetzen, um sein Schicksal zu bestimmen, einschließlich bewaffneter Aktionen, falls alle politischen Lösungen scheitern sollten, unterstrich der Botschafter der Arabischen Demokratischen Republik Sahara (DARS) in Algerien, Abdelkader Taleb Omar. 

Laut dem Sahara Press Service betonte Omar zudem, daß der UN-Friedensprozeß seit dem Rücktritt des UN-Sondergesandten Horst Köhler im Mai 2019 zum Stillstand gekommen sei. Marokko, das vor allem von Frankreich unterstützt werde, setze seinen Expansionskurs fort, und auch ein anderer Gesandter sei nicht in Sicht.

Der Konflikt um die ehemalige spanische Kolonie begann bereits Mitte der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Nach dem Tod Francos entschloß sich Spanien zum Rückzug aus dem Gebiet der Westsahara. Das Kolonialgebiet bestand damals aus zwei Verwaltungseinheiten. Saguía al Hamra und Rio de Oro. Daraus leitet sich auch der Name der Frente Polisario ab. 

Das nördliche Nachbarland Marokko nutzte die Gunst der Stunde. Und 1975 drangen im sogenannten Grünen Marsch etwa 350.000 Marokkaner in die ehemalige spanische Kolonie ein, um die Ansprüche Rabats auf das Gebiet geltend zu machen. 1976 erklärte Marokko formell die Annexion der Westsahara und einigte sich mit dem südlichen Nachbarn Mauretanien auf eine Aufteilung des Gebiets. 

Zur selben Zeit hatte die Polisario eine unabhängige Republik, die DARS ausgerufen. Der darauf folgende Krieg führte zunächst dazu, daß sich Mauretanien 1979 aus den von ihm besetzten Gebieten zurückzog, da die Kriegskosten für das dünnbesiedelte und wirtschaftlich schwache Land nicht länger tragbar waren. 

In der Folge kam es zu einem langjährigen Kleinkrieg zwischen der Polisario und Marokko, der erst 1991 zum Stillstand kam, nachdem Marokko eine cirka 2.000 Kilometer lange befestigte Grenze am Ostrand des Gebietes errichtete und der Frente Polisario dabei nur einen schmalen Streifen Land überließ. Die Vereinten Nationen erkennen weder die Ansprüche Marokkos noch die DARS als souveränen Staat an. 

KP-Funktionäre verlesen Grußbotschaften

Anläßlich der Anwesenheit von zwei Militärbeobachtern der UN-Mission MINURSO bei dem 15. Kongreß der Frente Polisario Mitte Dezember in Tifariti betonte das UN-Generalsekretariat ausdrücklich, daß dies „keine politische Position“ impliziere und man in dem Konflikt „höchst unparteiisch“ bleibe.

Auch dieser Kongreß diente der Befreiungsfront dazu, ihren Ansprüchen Nachdruck zu verleihen. Die dort verlesenen Grußbotschaften und die ausländischen Teilnehmer machten aber deutlich, daß die Polisario nur mehr bei Organisationen der orthodoxen Linken auf einen gewissen Rückhalt stößt. So schickte die kommunistische spanische Gewerkschaft CCOO eine Grußbotschaft, ebenso ein Vertreter der KP Frankreichs.

Das Nachbarland Algerien, der einzig machtpolitisch nennenswerte Verbündete der Polisario, beherbergt derweil immer noch bis zu 200.000 saharauische Flüchtlinge. 

Diese leben in fünf großen Lagern in der Nähe der Stadt Tindouf. Algerien, das traditionell keine besonders guten Beziehungen zu Marokko unterhält, unterstützt zumindest verbal die Bestrebungen der Polisario nach einem eigenen Staat.