© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/20 / 14. Februar 2020

Eine Rechte ohne Komplexe
Kongreß „Nationalkonservatismus – Gott, Ehre, Vaterland“ in Rom: Ungarns Premier besticht mit seiner Lässigkeit und formuliert eine Art Minimalkonsens
Karlheinz Weißmann

Im Französischen gibt es den Begriff der „droite décomplexée“ – der „Rechten ohne Komplexe“. Gemeint sind damit diejenigen Vertreter des konservativen und patriotischen Spektrums, die sich von der Linken weder die Themen noch die Argumente vorschreiben lassen, sondern selbstbewußt ihre Positionen vortragen. 

Der Kongreß „Nationalkonservatismus – Gott, Ehre, Vaterland“, der vergangene Woche in Rom stattfand, war eine Demonstration, wie so eine „Rechte ohne Komplexe“ aussehen kann. Die vertretenen Positionen waren durch die Bank politisch inkorrekt. Was aber weder die gute Stimmung noch den Offensivgeist beschränkt hat, ganz im Gegenteil. Dabei bildete das, was hier als „nationalkonservativ“ vorgestellt wurde, alles andere als eine monolithische Einheit. 

Man hatte es mit Marktwirtschaftlern und Solidaristen wie dem amerikanischen Autor Rod Dreher, mit Nationalisten wie dem israelischen Theologen Yoram Hazoni, Regionalisten und Anhängern einer imperialen Idee (Marion Maréchal) zu tun, mit denen, die sich als Verteidiger der wahren Werte der Aufklärung betrachten (Douglas Murray) und mit solchen, die alle wesentlichen Fragen durch die katholische Lehre entschieden glauben, mit denen, die auf eine institutionelle Erneuerung setzen und denen, die einen „zweiten Reagan“ oder eine „zweite Thatcher“ erhoffen.

Bis zu einem gewissen Grad erklärte sich der begeisterte Empfang, der dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán bereitet wurde, daraus, daß er sich nicht nur als Projektionsfläche für solche Erwartungen eignete, sondern auch in der Lage war, eine Art Minimalkonsens zu formulieren, auf den sich die genannten Strömungen einigen konnten. 

Dominanz der Angelsachsen und Romanen 

Der Humor und die Lässigkeit, mit der er das, was alle eint, „christdemokratisch“ oder „rechtspopulistisch“ oder eben „nationalkonservativ“ nannte, signalisierte schon, daß Orbán nicht glaubt, daß die Zeit schon gekommen ist, um dem, was sich da in Bewegung setzt, ein Etikett zu verpassen. Jetzt müßten erst einmal die Kräfte für eine „Konterrevolution“ gesammelt und gegen etwas in Stellung gebracht werden, das „liberale Demokratie“ heißt und seine destruktive Kraft bis dato hinreichend unter Beweis gestellt habe. 

Als passendes Gegengift will Ungarns Premierminister ein Rezept verwenden, das sich aus guter Regierung plus Identität zusammensetzt. Eine gute Regierung ist für ihn die, die Sicherheit, Aufstiegsmöglichkeit und soziale Gerechtigkeit – nicht soziale Gleichheit – verbürgt; Identität bedeutet, daß wir in unseren Ländern so leben können, wie wir es für richtig halten, unseren Traditionen entsprechend, ohne uns gegenüber Fremden oder einer politisch-medialen Klasse rechtfertigen zu müssen.

Für die Veranstaltung in Rom hatte man von vornherein einen weiten Rahmen gesteckt. Das machte deutlich, an wie vielen verschiedenen Stellen in eine ähnliche Richtung gearbeitet wird. 

Zu den Nachteilen des Ansatzes gehörte, daß Deutschland nur durch Einzelpersonen repräsentiert war. Die Dominanz der Angelsachsen einerseits, der Romanen andererseits, führte zu einer gewissen Schieflage, die man zukünftig korrigieren sollte. Bereitschaft dazu scheint vorhanden. 

Jetzt ist vor Ort für Ansprechpartner zu sorgen, die den notwendigen Grad an Seriosität und Organisiertheit erreichen, um einer „Rechten ohne Komplexe“ auch hier den Weg zu bereiten.