© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/20 / 14. Februar 2020

„Wir sind ’ne Bank, kein Drogenkartell!“
Fernsehen: Die zweite Staffel der Finanzmarkt-Dramaserie „Bad Banks“ kommt schwer in die Gänge
Dietmar Mehrens

Die Fallhöhe ist ein wichtiges dramaturgisches Element in jedem Drehbuch, das Spannung erzeugen möchte. Je überraschender und tiefer der Sturz des Helden von einer Normal- in eine Ausnahmesituation, desto größer die Wirkung auf den Zuschauer. Von Fallhöhe kann man aber auch sprechen, wenn auf eine immens erfolgreiche und mehrfach preisgekrönte Fernsehserie eine Fortsetzung – im Branchenjargon spricht man von einer zweiten Staffel – folgen und den Erfolg wiederholen soll. Denn je größer die Erwartung, desto wahrscheinlicher die Enttäuschung. 

Regisseur Christian Zübert legte Ende 2018 mit „Bad Banks“ die Serie zur großen Bankenkrise von 2008 vor: Anhand von Einzelschicksalen und multiplen Intrigen wurde anschaulich, wie die Habgier und Allmachtsphantasien vermessener Geldgeier zu den ruinösen Vorfällen führten, die die globalen Finanzmärkte erschütterten. Schon die erste Szene nahm, als dramaturgischer Teilchenbeschleuniger, das Desaster voraus. Die Spannung bestand darin, als Zuschauer mitverfolgen zu können, wie es dazu kommt und wie schlimm es am Ende wird. 

In der zweiten Staffel von „Bad Banks“ erweist es sich nun als die erwartet große Herausforderung, aus demselben Figureninventar, das heißt mit festgelegten Profilen und eingeschränkten Entfaltungsspielräumen, erneut eine packende Geschichte zu weben. 

Nachdem die junge, ehrgeizige Bankerin Jana Liekam (Paula Beer) dem großen Zusammenbruch weitgehend unbeschadet entronnen ist, wittert sie bei „Green Wallet“, einem jungen aufstrebenden Unternehmen mit Öko-Orientierung, ihre zweite Chance auf einen schnellen Aufstieg. Schließlich ist „Nachhaltigkeit“ ganz groß im Kommen. Auch mit dem attraktiven „Green Wallet“-Idealisten Ben versteht sie sich auf Anhieb.

Rasch ziehen jedoch Wolken am Horizont auf, als Janas alte Rivalin Christelle Leblanc – die Assonanz zur frischgebackenen EZB-Chefin Christine Lagarde ist ein sympathischer Seitenhieb – sie mit Beweisen für illegale Finanztransaktionen erpreßt. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Adam entschließt Jana sich zu einer „James Bond“-Aktion auf Mauritius, wo die belastenden Dokumente lagern. Auch die Entlassung von Gabriel Fenger (Barry Atsma) aus der Untersuchungshaft ist keine gute Nachricht: Ihn lieferte Jana am Ende von Staffel eins ans Messer. Jetzt mischt er wieder mit.

Es wird gnadenlos intrigiert und erpreßt

Prostituierte werden auf Finanzaufsichtsbeamte angesetzt, dubiose Finsterlinge engagiert, um Druck auszuüben, es wird gnadenlos intrigiert und erpreßt: zuweilen fühlt man sich erinnert an die Erfolgsserien „Dallas“ und „Denver-Clan“ aus den Achtzigern. Tobias Moretti als Fiesling mit J. R.-Ewing-Methoden und Désirée Nosbusch, die Darstellerin der Christelle Leblanc, als europäische Reinkarnation der von Joan Collins verkörperten Alexis Carrington lassen es allerdings an dem gewinnenden Charme fehlen, den die beiden US-Bösewichter selbst beim Vollzug der finstersten Intrigen noch zu versprühen wußten. Das könnte an dem vergifteten Klima liegen, in dem politische Auseinandersetzungen gegenwärtig geführt werden, ein Klima, bei dem Humor und Ironie nicht besser gedeihen als Rosen auf dem Mond.

Zu lachen gibt es bei „Bad Banks“ jedenfalls nichts. „Wir sind ’ne Bank, kein Drogenkartell!“, versichert Jana ihrem Mitstreiter Adam, als dieser sich nicht mehr sicher ist, wie weit manche ihrer gut getarnten und mit schmutzigen Tricks operierenden Gegner zu gehen bereit sind, und selbst die Messer wetzen will. Zu diesem Zeitpunkt ist die junge Investmentbänkerin auf dem schmalen Grat zwischen Notwehr und Verbrechen jedoch längst ins Straucheln geraten. 

Die mehrsprachige Luxemburgerin Désirée Nosbusch gab im Interview offen zu, Schwierigkeiten gehabt zu haben, sich die abstrakten und hochriskanten Finanzgeschäfte vorzustellen, mit der ihre Figur zu tun hat. „Wo ist da die Moral?“, kommentierte sie das gottlose Gewinnstreben der von ihr dargestellten Christelle Leblanc.

Daß der mit dem Banken- und  Finanzsektor nicht vertraute Laie den Spielszenen, die sich mit den dort verhandelten Geschäften befassen, kaum folgen kann, war schon im Serienauftakt ein Problem, wenn auch eines, das sich künstlerisch kaschieren ließ: die mangelnde Transparenz der Handlung als Metapher für die Intransparenz und Abgehobenheit der porträtierten Investitions- und Spekulationsgeschäfte. Doch in Verbindung mit dem, woran deutsche TV-Produktionen generell kranken, einer Exposition, die wegen der Fokussierung auf stimmige Charaktere fast die Hälfte der Gesamtspieldauer verschlingt, werden die undurchsichtigen Geschäftsanbahnungen zur Hypothek: Wer nach den ersten drei Folgen von „Bad Banks II“ noch nicht die Geduld verloren hat in Anbetracht lähmend langer Feldbereitungsgespräche, hat Jana, Adam, Thao, Gabriel, Christelle und die anderen vermutlich schon in Staffel eins so ins Herz geschlossen, daß er ihnen jetzt nachsieht, wenn sie nach dem großen Crash, in dem der erste Teil der Fernsehreihe gipfelte, so schnell nicht wieder auf Touren kommen.

Finanz- und Filmeliten leben in Parallelwelten

Nachsehen muß er der Koproduktion von Arte und ZDF auch den redaktionell gewollten Kotau vor der Internationalisierung, dem sprichwörtlichen globalen Dorf, in dem sich polyglotte Eliten allzeit souverän bewegen, was dazu führt, daß sich Zuschauern, die selbst nicht polyglott sind, rund zehn Prozent der Dialoge nur durch Untertitel erschließen. Die meisten sind davon eher genervt, was den unerfreulichen Nebeneffekt haben könnte, daß die Antipathie, die sie aufgrund des Handlungsverlaufs für die narzißtischen Finanzmarkteliten hegen, unmittelbar auf die narzißtischen Filmgeschäftseliten überspringt. Die leben schließlich wie die meisten Finanzjongleure ebenfalls in einer multinationalen Parallelwelt. Darstellerin Désirée Nosbusch ist dafür ein gutes Beispiel: Sie beherrscht sechs Sprachen. „Bad Banks“ ist moderne, kritische Fernsehunterhaltung für ein weltbürgerlich orientiertes, progressives und gut ausgebildetes Publikum. Fernsehen von Eliten für Eliten sozusagen.

Es ist bezeichnend, daß die Geschichte erst Fahrt aufnimmt, als sich das Drehbuch von den Bank- und Investmentgeschäften weg- und persönlichen Befindlichkeiten zuwendet. Als hätten Regisseur Christian Zübert und Autor Oliver Kienle geahnt, daß sie dem Zuschauer eine Entschädigung für den lahmenden Auftakt schulden, rücken ab Folge vier vermehrt die privaten Tragödien und Schicksalsschläge der Protagonisten in den Blickpunkt: Adams Ex glaubt ihre Kinder vor ihm schützen zu müssen, weil er zu Gewaltausbrüchen neigt, Thao kann ihren Vater nicht mehr finanziell unterstützen, zwischen Herrn Richard von der Finanzaufsicht und der auf ihn angesetzten Prostituierten kommt es zu Handgreiflichkeiten, Jana verletzt Ben und fühlt sich von ihm verletzt, Gabriel weiß nicht, ob Jana in ihn verliebt ist oder er in sie: Schon diese unvollständige Aufzählung verrät, daß sich die Serie mit ihrem immensen Personal verzettelt. Der Zuschauer verläuft sich in einem Labyrinth unüberschaubarer einander überlappender Handlungsstränge und das, was sie alle zusammenhalten soll, die Bankgeschäfte, verstehen nicht mal die Schauspieler.

In der Mitte der fünften Episode sieht man Jana und Ben, die eine kurze, stürmische Affäre hatten, in einer Heil- und Pflegeanstalt für psychisch gestörte Menschen. Die Szene bereitet ein Wahnsinnsfinale vor, in dem es plötzlich von Schizoiden, Paranoiden, Psycho- und Soziopathen nur so wimmelt. Und sie alle veranstalten ein großes Hauen und Stechen. Realistisch ist die Dramaserie da schon lange nicht mehr. Aber sie macht endlich Spaß. Das spiegelt das ganze Dilemma dieser zweiten Staffel: Wo sie Spaß macht, ist sie unrealistisch, wo sie realistisch ist, macht sie keinen Spaß. Wenn sich am Ende die wichtigsten Akteure als Amokläufer, Attentäter oder anderswie akut auf Abwege Geratene erweisen, verbirgt sich darin aber immerhin auch eine Botschaft, der man eine gewisse Berechtigung nicht absprechen kann: Die Finanzbranche – alles Irre!

Die komplette Serie ist nach der Ausstrahlung in der letzten Woche noch in den Mediatheken von Arte und ZDF abrufbar.

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