© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/20 / 14. Februar 2020

DVD: Tote schlafen besser
Marlowe in London
Werner Olles

Basierend auf Howard Hawks Meisterwerk, „Tote schlafen fest“ („The Big Sleep“, USA 1945) drehte Michael Winner, Regisseur der Rache- und Selbstjustiz-Thriller „Death Wish I-III“ mit Charles Bronson, 1978 ein Remake des Hawks-Klassikers mit dem leicht abgewandelten Titel „Tote schlafen besser“. Während Raymond Chandlers Roman im Original von den Drehbuchautoren William Faulkner, Leigh Brackett und Jules Furthman adaptiert wurde, griff Michael Winner im Remake selbst zur Feder. Dies bekam dem Film, dessen Handlung kaum zu folgen ist, nicht gut.

Der Held, Chandlers legendärer Privatdetektiv Philip Marlowe, den diesmal Robert Mitchum spielt, ist nach London umgezogen, wo er von dem alten todkranken General Sternwood (James Stewart) zur Aufklärung von Erpressungen gegen dessen Töchter Charlotte (Sarah Miles) und Camilla (Candy Clark) engagiert wird. Dabei ahnt Marlowe nicht, daß in der Familie noch weitere Abgründe lauern: die jüngere Tochter Camilla hat einen handfesten Dachschaden und Drogenprobleme, ihre Schwester Camilla ist mit einem Waffenschmuggler liiert und selbst in schmutzige Geschäfte verwickelt.

Tatsächlich war es eine unselige Idee, die Handlung aus Los Angeles in das London der späten 1970er Jahre zu verlegen, ohne daß aus den Mentalitätsverschiedenheiten nennenswerte Pointen gewonnen wurden. Robert Mitchums Marlowe ist ein mit sich und seiner Situation unzufriedener Mensch, der seine Umwelt spüren läßt, daß er sie haßt und sich vor ihr ekelt. Der Zynismus, mit dem Hawks Marlowe (Humphrey Bogart) gelegentlich auf unlösbare Widersprüche reagiert, ist bei Winners Marlowe zur Brutalität geworden.

Während Hawks „The Big Sleep“ einer der härtesten Filme über den Zusammenhang von Macht, Verbrechen und Sexualität ist, fehlt es Winners Remake an Fahrt und Stimmung, ganz abgesehen davon, daß ein Philip Marlowe natürlich niemals ausgewandert wäre. Raymond Chandler hatte dies bekanntlich getan und wurde nach dem Tod seiner Ehefrau in London zum Alkoholiker, der mehrere Selbstmordversuche unternahm. Allein aus Pietät gegenüber Marlowes „Vater“ hätte Winner auf diesen katastrophalen Einfall also besser verzichten sollen. 

DVD: Tote schlafen besser. Pidax Film 2020, Laufzeit etwa 99 Minuten