© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/20 / 21. Februar 2020

Marco Wanderwitz. Wer ist der neue Ostbeauftragte der Bundesregierung?
Sprung in den Fettnapf
Paul Leonhard

In seinem Leben als Berufspolitiker ist Marco Wanderwitz über Sachsens Grenzen hinaus bisher kaum aufgefallen. Und wenn im Freistaat über ihn berichtet wurde, dann meist weil der 44jährige gebürtige Karl-Marx-Städter sich in einem Fettnäpfchen wiederfand. So schlug der Christdemokrat in der Griechenland-Krise vor, Athen könne doch einige Inseln privatisieren. Und 2010 wollte er sich ungesund ernährende Deutsche heranziehen, um Löcher in den Krankenkassen zu stopfen.

Ähnlich ist der neue Ostbeauftragte der Bundesregierung nun in sein Amt gestartet: Viele seiner mitteldeutschen Landsleute, schilt Wanderwitz gegenüber der evangelischen Nachrichtenagentur idea, hätten ein mangelndes Demokratieverständnis. Offenbar ohne Gespür dafür, welches er denn selbst damit beweist – jene, deren Stimme er eigentlich hören soll, paternalistisch in den Senkel zu stellen. Besonders an ihrem mangelnden Vermögen, Kompromisse zu schließen und Minderheitenrechte zu akzeptieren, müßten seine Schutzbefohlenen noch arbeiten. Vor allem aber, so staucht der demütige Diener des Volkes den Souverän zurecht, „gibt es keine Entschuldigung mehr, AfD zu wählen“! Kein Wunder, twitterte er 2018 über die doch: „Ein kranker Mann, zerfressen von Haß und Dummheit. Gauland und die AfD sind giftiger Abschaum.“ Allerdings, so Wanderwitz nun, würde er das heute nicht mehr so sagen – um „sich nicht auf deren Niveau“ herabzulassen. 

Für seine Wähler ist der Volljurist und Vater von vier Kindern allerdings der bestmögliche Politiker: Die Erzgebirgler und Bewohner des Chemnitzer Umlandes wählen ihn seit 2002 direkt in den Bundestag, wo er die CDU-Landesgruppe Sachsen führt. Bei der Suche nach einem neuen Beauftragten für die neuen Bundesländer fiel Angela Merkels Blick vielleicht auch deshalb wohlwollend auf den Parlamentarischen Staatssekretär, weil der seit seiner öffentlichen Entschuldigung für einen Auftritt 2016 vor dem als asylfeindlich geltenden Verein „Heimattreue Niederdorf“ im Erzgebirge als immun gegen als „rechts“ betrachtete Inhalte gilt. Damit scheint es ausgeschlossen, daß Wanderwitz, wie sein geschaßter Vorgänger Christian Hirte, einem Politiker zur Wahl gratulieren würde, ohne das Plazet der Kanzlerin oder zumindest seines Ministerpräsidenten eingeholt zu haben.

Diese doppelte Absicherung könnte allerdings zum Problem für den Ostbeauftragten werden, weiß er doch um die tiefen Vorbehalte seines früheren Bundestagskollegen und jetzigen Sachsens-Premier Michael Kretschmer gegenüber Angela Merkel und ihrer Ost-Politik. Während die AfD natürlich, in Gestalt des Landeschefs von Mecklenburg-Vorpommern Leif-Erik Holm, prognostiziert, Wanderwitz werde sich im Amt als „totale Fehlbesetzung“ erweisen. Den Anfang hat er immerhin schon gemacht.