© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/20 / 21. Februar 2020

„Das Schlepperimperium schlägt zurück“
Italien: Ex-Innenminister Matteo Salvini soll der Prozeß gemacht werden. Grund dafür ist seine entschlossene Politik gegen illegale Migration
Christian Schreiber

Dem ehemaligen Innenminister Matteo Salvini wird der Prozeß gemacht. Der Senat in Rom stimmte in der vergangenen Woche mehrheitlich für die Aufhebung der Immunität des Chefs der rechten Lega. Er wird von einem Gericht in Catania auf Sizilien des Amtsmißbrauchs und der Freiheitsberaubung beschuldigt. 

Dem Ex-Minister drohen im Falle einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft. In dem Verfahren geht es um 116 Flüchtlinge, die der Lega-Chef im Juli vergangenen Jahres an Bord des Schiffs „Gregoretti“ der italienischen Küstenwache de facto festgesetzt hatte. Salvini hatte dem Schiff über mehrere Tage hinweg die Einfahrt in einen italienischen Hafen verweigert. 

„Ich laufe nicht davon, ich vertraue der unabhängigen Justiz. Sie wird einsehen, daß ich gehandelt habe, um Italiens Außengrenzen zu verteidigen, wie dies auch die Verfassung vorsieht“, sagte Salvini. „Die Verteidigung des Vaterlands ist eine heilige Pflicht, ich bleibe dabei, daß ich mein Vaterland verteidigt habe“, betonte der Lega-Chef. Salvini spielte damit auf die Möglichkeit an, bei einer Verurteilung kein politisches Amt mehr bekleiden zu können, was von Anhängern des rechten Lagers als eigentlicher Grund des Prozesses vermutet wird.

Der 46jährige hob außerdem hervor, daß er damals im Einvernehmen mit Premier Giuseppe Conte gehandelt habe. Dieser werde jedoch nicht angeklagt. 

Ein politisches Manöver? Beobachter glauben gar, daß der ehemalige Innenminister von dem Verfahren profitieren könnte. „Das ist ein Fall, auf den Salvini stolz ist“, kommentiert der Journalist Gerhard Mumelter in der „Tagesschau“ von Rai Südtirol. „Es wird jetzt in sechs Regionen gewählt, darunter im Veneto und in der Toskana. Da werden wir sehen, wie es mit der Lega steht“, so Mumelter.

In einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Umfrage kam die Lega auf 30 Prozent und liegt damit weit vor den Sozialdemokraten (20,6 Prozent) und der Fünf-Sterne-Bewegung (14,3 Prozent). Mit 11,5 Punkten erzielte Giorgia Melonis Rechtspartei einen Rekordwert. 

Neuerdings kungelt Salvini mit dem ehemaligen sozialdemokratischen Premier Matteo Renzi, der im vergangenen Herbst seine eigene Partei (Lebendiges Italien) gründete und der ebenfalls Ärger mit der Justiz hat. Noch sitzt Renzi mit seiner Abspaltung in der Mitte-Links-Regierung um Giuseppe Conte. 

Doch die Partner sind sich spinnefeind. „Wenn die Sozialdemokraten den verrückten Vorhaben der Fünf Sterne weiterhin folgen werden, dann ist es Zeit, eine Vereinbarung mit Salvini zu treffen, um wählen zu gehen“, sagte Renzi. Mit Salvini tauscht er sich seit Wochen regelmäßig aus. Beide träumen von einer Justizreform. 

Angesichts der Entwicklung im Nachbarland zeigte sich Österreichs Ex-Innenminister Herbert Kickl entsetzt: „Das Schlepperimperium schlägt zurück.“ Politisch habe man gegen Salvini nichts erreicht, also versuche man ihn zu kriminalisieren, kommentierte der FPÖ-Fraktionsvorsitzende die Aufhebung der Immunität seines ehemaligen Kollegen. Wer die Interessen seines Landes vertrete, laufe heutzutage Gefahr, vor Gericht zu landen. Dies, so Kickl weiter, sei eine „völlig absurde Situation“. Wer hingegen mit „menschenverachtenden Schleppern gemeinsame Sache“ mache, werde von den „linken Medien zum Helden erhoben und von der Justiz gestreichelt“.