© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/20 / 21. Februar 2020

Flugscham nur bei Greta-Jüngern
Branchenbericht: Weltweit ist die Verkehrsleistung der Airlines 2019 um 4,2 Prozent gewachsen / Germania-Insolvenz bremste Wachstum
Fabian Schmidt-Ahmad

Greta Thunberg ließ sich voriges Jahr mit High-Tech-Jachten zu Medienauftritten nach New York segeln. Grünen-Politiker haben weniger Flugscham: „Wenn man transatlantisch in dem knappen Zeitkontingent das alles mit dem Schiff fahren könnte, würde der CO2-Ausstoß auch nicht optimal sein“, verriet Fraktionschef Anton Hofreiter der ARD-Sendung „Kontraste“. Auch sein Drei-Tage-Trip nach Grönland war nötig, um „die Auswirkung des Klimawandels so mit eigenen Augen zu sehen“.

Die Bundesregierung sieht die Luftfahrt als sichere Einnahmequelle: Unter Schwarz-Gelb 2011 eingeführt, steigt die Ticketsteuer ab April um bis zu 68 Prozent. Der „Steuergegenstand“ ist dabei ein global stark wachsendes Big Business: Jährlich werden vier Milliarden Passagiere befördert. Hinzu kommen 62 Millionen Tonnen Fracht. Das schafft Arbeit für 65 Millionen Beschäftigte, die dabei einen Umsatz von 2,7 Billionen Dollar erzielen. Weltweit ist die Verkehrsleistung der Airlines 2019 um 4,2 Prozent gewachsen, 2040 soll sich das Passagieraufkommen auf 9,4 Milliarden Personen mehr als verdoppelt haben.

248 Millionen Flugreisende in Deutschland abgefertigt

Selbst wenn unter Schwarz-Grün das Fliegen zu einem Privileg der Besserverdiener würde: Mit 248 Millionen Reisenden (Weltanteil: 6,2 Prozent) und 4,9 Millionen Tonnen Fracht (7,9 Prozent), die 2019 an deutschen Flughäfen abgefertigt wurden, ist der deutsche „CO2-Fußabdruck“ eher bescheiden. Derzeit läuft es aber noch gut: Trotz der Germania-Pleite im vergangenen Januar verzeichnete die deutsche Luftfahrtbranche einen Zuwachs von etwa anderthalb Prozent, wie aus Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) hervorgeht.

In der Luftfahrt gibt es bislang drei relevante Verkehrsräume: Zum einen den Luftverkehr von, nach oder in den amerikanischen Raum mit einem Anteil von derzeit 26 Prozent, zum zweiten Europa mit 29 Prozent und zum dritten Asien mit 39 Prozent. Alleine die Flüge innerhalb Chinas machen mittlerweile 13 Prozent am weltweiten Flugverkehr aus. Das höchste Passagieraufkommen entfällt auf Flüge innerhalb eines Raumes. Diese Aufgabe übernehmen Großflughäfen, die als Drehkreuze die Menschenmassen auf ihre Zielorte verteilen. Der mit über 107 Millionen abgefertigten Passagieren weltgrößte Flughafen Atlanta ist beispielsweise für die Abwicklung inneramerikanischer Flüge von herausragender Bedeutung.

Aber auch für Flüge zwischen den Räumen können sich Großflughäfen als Drehkreuze anbieten. Der Flughafen Abu Dhabi beispielsweise lockt nicht zuletzt durch günstige Treibstoffpreise mehrere internationale Fluggesellschaften an, die fast ausschließlich für die jährlich rund 24 Millionen abgefertigten Passagiere sorgen. Durch weitere Ausbaustufen soll dieser Flughafen bei Bedarf sogar 80 Millionen Passagiere bewältigen können, entsprechende Flächen sind bereits reserviert.

Deutschland wäre durch seine Mittellage ideal für den innereuropäischen wie den transkontinentalen Flugverkehr. Doch die Flughäfen Frankfurt und München sind mit 70 beziehungsweise 48 Millionen Passagieren am Ende ihrer Kapazität. Ein Ausbau stößt auf Widerstand – Großflughäfen sind laut und platzhungrig. Der Hauptstadtflughafen BER ist hingegen durch seine Bauverschleppung (Konsensbeschluß 1996, Baubeginn 2006, geplante Fertigstellung 2011) legendär. Sollte er im Oktober eröffnet werden, wird er für eine weitere Kuriosität sorgen: Der Berlin Brandenburg Airport wird wohl der einzige Flughafen sein, dessen Eröffnung effektiv eine Verringerung der Passagierkapazität bedeutet. Denn die bisherigen Flughäfen Berlin-Tegel und Berlin-Schönefeld werden geschlossen – die können aber zusammen mehr Passagiere abfertigen.

Dabei sind Großflughäfen verläßliche Einnahmequellen: Frankfurt erzielte 2017 327,2 Millionen, München 155 Millionen, Düsseldorf 60,1 Millionen und Hamburg 46,6 Millionen Euro Gewinn. Auch Köln/Bonn, Hannover und Nürnberg bringen den staatlichen und teilweise privaten Anteilseignern jährliche Millionengewinne. Flughäfen mit einem Passagieraufkommen von unter zwei Millionen sind hingegen meist Zuschußobjekte für die Steuerzahler.

Andere sind dagegen weniger von Flugscham oder Rücksicht auf Anwohner befallen. Im BDL-Bericht klingt das dann so: „Der Verlust von Direktverbindungen in den asiatischen Raum trotz des dynamischen wirtschaftlichen Wachstums und der Nachfrage ist ein deutliches Indiz dafür, daß diese Verkehre zunehmend nicht direkt ab Deutschland abgewickelt werden, sondern über die Drehkreuze von Wettbewerbern etwa in Istanbul (Turkish Airlines), Dubai (Emirates) und Doha (Qatar Airways).“

 bdl.aero/