© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/20 / 21. Februar 2020

Der Brexit spaltete die Nation auch sprachlich
Starkes Volk
(dg)

Nicht weniger als ein knapp fünfzehn Millionen Wörter aus britischen und neun Millionen aus deutschen Zeitungen umfassendes Textkorpus haben die Sprachwissenschaftler Christophe Fricker und Cory Massaro ausgewertet, um Auswirkungen des Brexit auf politische Mentalitäten semantisch zu erfassen. Sie ließen sich an den Bedeutungen der Wörter British, Citizenship, Bürgerrecht, Staatsbürgerschaft ablesen. Im Kontext der sie „einbettenden“ Begriffe untersucht, zeigten sich „dramatische“ Unterschiede und „fundamental andere Assoziationen“. Einerseits zwischen Brexit-Befürwortern („Leaver“) und Gegnern („Remainer“), andererseits zwischen Briten und Deutschen. Für die Remain-Seite war British während des Erhebungszeitraums, Januar bis Mai 2019, mit einer Reihe pejorativer Begriffe verbunden (desaster, catastrophe), während unter Leavern die „Sprache des Triumphs“ und der Vorfreude auf den britische Unabhängigkeit wieder herstellenden Abschied von Brüssel dominierte. Beide Seiten könnten sich nicht einigen, eine Sprache des Kompromisses gebe es nicht. British sei, dies gelte auch für das Gros der deutschen Presse, entweder eine Ruinenlandschaft am Rande des völligen Zusammenbruchs. Oder wie bei den Leavern, deren Position nur von der neben Spiegel, taz & Co. ebenfalls ausgewerteten JUNGEN FREIHEIT Unterstützung erfuhr. British werde mit „starkes Volk“ assoziiert. Ebenso uneinig seien sich beide Lager bei der Bewertung der „Europäer“. Für die Remainer seien es Fremde, von denen man wirtschaftlich profitiere. Die Leaver sehen sie als „irgendwie wichtige ferne Verwandte“, die in ihrem Leben keine Rolle spielen (Der Sprachdienst, 5-6/2019). 


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