© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/20 / 21. Februar 2020

Mobilisierung und Politisierung der Wohnungsfrage
Eine Protestallianz formiert sich
(dg)

Stadtsoziologen gingen bisher davon aus, daß die Wohnungsfrage sich nicht politisieren lasse. Denn zu unterschiedlich seien die Interessen der davon potentiell Betroffenen. Nachdem sich jedoch wegen der Millionen in deutsche Sozialsysteme eingewanderten Migranten eine „relative Wohnungsnot“ ausbreite, habe sich diese Einschätzung geändert, wie der Leipziger Umweltsoziologe Dieter Rink und Lisa Vollmer von der Bauhaus-Universität Weimar in ihrer Untersuchung über „Netzwerke und Mobilisierungen der Mieter*innenbewegung in deutschen Großstädten“ ausführen (Forschungsjournal Soziale Bewegungen, 3/2019). Beide Verfasser sind, wie die Initiatoren der seit April 2019 an Dynamik gewinnenden „mietenpolitischen Bewegung“, zwar eifrig bemüht, nicht die Migration, sondern Versagen der Wohnungspolitik sowie „Profitgier“ des „neoliberalen Akkumulationsregimes“ der Wohnungsindustrie ursächlich für die Misere verantwortlich zu machen. Aber deren Wirkung wird immerhin zutreffend erfaßt. Mittlerweile seien nämlich nicht allein „schwache Gruppen“ betroffen. Die Wohnungsnot erreiche nun Mittelstandshaushalte. Sie bildeten die Basis für die Mobilisierung der Protestallianz von Unter- und Mittelschicht. Langjährige Vernetzungsarbeit führe jetzt dazu, in disparaten Milieus „einzelne Betroffenheiten zu verallgemeinern, zu organisieren und zu politisieren“. 


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