© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/20 / 28. Februar 2020

Ländersache: Mecklenburg-Vorpommern
Erst im Moor, nun in’ Mors
Paul Leonhard

Daß ein Stück Autobahn einfach im Moor versinkt, wirft auch noch zweieinhalb Jahre nach jenem Vorfall vom September 2017 Fragen auf. Bei den Autofahrern, die noch bis 2023 im Stau stehen und bei den Steuerzahlern, die für die 160 Millionen Euro Mehrkosten aufkommen müssen.

Dabei könnte der Bau der A20, die zu den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit gehört, eine Ingenieurleistung der Superlative sein: der längste zusammenhängende Neubau einer Autobahn seit 1939 samt 105 Brücken, vier Autobahnkreuzen und -dreiecken sowie 35 Anschlußstellen, insgesamt knapp 348 Kilometer Straße vor allem durch Mecklenburg-Vorpommern.

Tatsächlich wurde der Bau aber zum Lehrstück darüber, was beim Straßenbau alles falsch gemacht werden kann. Dabei geht es nicht nur um einen durch das Bundesverwaltungsgericht monierten rechtswidrigen Planfeststellungsbeschluß oder Defizite in der Artenschutz-Prüfung, sondern vor allem um Pfusch.

Bereits 2004 wurde festgestellt, daß auf einem Teilstück ein seit 1990 nicht mehr übliches Verfahren angewendet worden war: Dadurch waren die Fahrbahngeräusche so laut, daß noch in 500 Meter Entfernung mehr als 100 Dezibel gemessen wurden. Um die Lautstärke auf die gesetzlich zulässigen 80 Dezibel zu drücken, wurde die Höchstgeschwindigkeit auf DDR-Maß begrenzt. Beim späteren Aufbringen von Asphalt auf dem „Brüllbeton“ wurde weitergepfuscht: Die auf die Fahrbahn geratenene Bitumenemulsion beschädigte 300 Fahrzeuge. Wassereinschlüsse zwischen Beton und Asphalt führten im folgenden Sommer zu bis zu 30 Zentimeter großen Blasen.

Wer dagegen die Anwendung eines völlig ungeeigneten Bauverfahrens im Trebeltal durchsetzte, darüber schweigt sich Berlin aus. Ein Baugrundgutachten habe „aus Gründen des Umweltschutzes und wegen hydrodynamischer Aspekte eine Gründung auf pfahlartigen Tragelementen empfohlen“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Schweriner Bundestagsabgeordneten Leif-Erik Holm (AfD), die der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. Ziel sei es gewesen, das Moor vor „aggressiven Baustoffen“ zu schützen. Allerdings erreichten die Pfähle nicht den stabilen Baugrund in rund 20 Meter Tiefe, und damit sackten hundert Meter Autobahn ins Moor.

„Das risikovollste Verfahren an dieser sensiblen und kritischen Stelle (moorig-breiiger Untergrund) in Verbindung mit der unzureichenden Bauüberwachung hat zum Einbruch der A20 geführt“, schreibt Bauaufsichtsexperte Joachim Lindenau im Deutschen Ingenieurblatt:

„Das CSV-Gründungsverfahren wurde nach erfolgreichen Probelastungen als geeignet bewertet“, hält die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage Holms entgegen, der über eine derartige „amateurhafte“ Umsetzung zentraler Infrastrukturprojekte nur den Kopf schüttelt: „Nicht nur, daß man beim Bau in einem empfindlichen und beweglichen Moor auf ein experimentelles, nie zuvor genutztes, Bauverfahren zurückgegriffen hat, man hat es auch unterlassen, dieses von echten Experten untersuchen zu lassen.“ Holm fordert um so nachdrücklicher, „endlich einen Straftatbestand der Steuergeldverschwendung“ einzuführen, „um solchen Pfusch und sinnloses Drauflosbauen künftig zu verhindern“.