© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/20 / 28. Februar 2020

Niedriglöhne verschärfen den Fachkräftemangel
Hausgemachte Probleme
Paul Leonhard

Die Klagen über fehlende Mitarbeiter haben oft einen hausgemachten Grund: Die betroffenen Branchen zahlen zu wenig. Das geht aus der Fachkräfteengpaßanalyse der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor. Betroffen sind vor allem die Bau-, Gesundheits- und Pflegebranche sowie technische Berufsfelder. Hier würden einige hundert Euro weniger verdient, räumte die BA auf eine Anfrage der Linken ein. So betrug das mittlere Einkommen für Vollzeitfachkräfte 3.052 Euro brutto im Monat. Bei den 52 Engpaßberufen liege das mittlere Entgelt bei 26 darunter.

Am wenigsten erhalten Fußpfleger mit 1.862 Euro. 74,7 Prozent verdienen nur einen Niedriglohn unter der Schwelle von 2.203 Euro. Auch Fleischverarbeiter (2.123 Euro), Hörgeräteakustiker (2.346 Euro), Physiotherapeuten (2.376 Euro) oder Bodenverleger (2.410 Euro) sind arm dran. Bessere Tariflöhne, bessere Arbeitsbedingungen und 13 Euro Mindestlohn fordern daher nicht nur Linke und Gewerkschafter, sondern auch etwa das CDU-Neumitglied Walter Kohl, Volkswirt und Sohn des Ex-Kanzlers. Doch die Merkel-Regierung lockt lieber Ausländer als billige Arbeitskräfte nach Deutschland. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) war sogar persönlich im Kosovo und in Mexiko unterwegs, um Fachkräfte zu gewinnen. Knapp 5.800 Pfleger aus Bosnien und Herzegowina, Serbien, den Philippinen und Tunesien sind bisher gekommen. Serbiens Staatspräsident Aleksandar Vu?i? warnte Spahn schon davor, weitere Krankenschwestern abzuwerben.

Laut einem Gutachten der Uni Bremen fehlen in den Pflegeheimen mehr als 100.000 Fachkräfte, um das derzeit tätige Personal zu entlasten. Aber es gibt auch Berufe, in denen selbst Ungelernte überdurchschnittlich gut verdienen. Dank einer automatischen Erhöhung ihrer Diäten erhalten die aktuell 709 Bundestagsabgeordneten vom 1. Juli an 303 Euro mehr Geld pro Monat. Damit erhöht sich die Abgeordnetenentschädigung auf 10.083,45 Euro im Monat.