© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/20 / 28. Februar 2020

„Wir sind ausverkauft“
Airbus: 2019 war ein neues Rekordjahr in der Zivilflugzeugproduktion / Milliardenverlust durch Strafzahlungen
Fabian Schmidt-Ahmad

Flugscham à la Greta? Nur noch wenige Jahre Zeit, „um eine Chance im Kampf gegen den Klimawandel zu haben“, wie die Klimastrategie der CSU warnt? Global gesehen gibt es keine Klimapanik: Genau 863 ausgelieferte Zivilflugzeuge im vergangenen Jahr – ein neues Rekordjahr für den europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus. Davon alleine 642 Maschinen aus der A320-Familie. Das teure A350-Großraumprogramm für Langstrecken hat 2019 die Gewinnschwelle erreicht.

Boeing dagegen liegt durch das Flugverbot für dessen Schmalrumpfflugzeug-Konkurrenz, die 737 Max, buchstäblich am Boden (JF 5/20). Eigentlich herrliche Zeiten für den nunmehr weltgrößten Flugzeugbauer, der im Vergleich zu 2018 seinen Umsatz von 63,7 Milliarden auf 70,5 Milliarden Euro und den operativen Gewinn (Ebitda) von 4,8 Milliarden auf 6,4 Milliarden Euro steigern konnte. Aber: Unter dem Strich steht dennoch ein kräftiges Minus.

Fast 1,4 Milliarden Euro Verlust mußte vergangene Woche Airbus-Chef Guillaume Faury, der im April 2019 Thomas Enders ablöste, einräumen – nahezu das Doppelte der Summe, mit der der amerikanische Wettbewerber Boeing ins Minus schlitterte. Enders konnte vergangenes Jahr noch einen Gewinn von 3,05 Milliarden Euro präsentieren. Der Grund für die verhagelte Bilanz hat wenig mit der wirtschaftlichen Lage zu tun. Mit einer Rekord-Strafzahlung von insgesamt 3,6 Milliarden Euro will Airbus einen Schlußstrich unter eine jahrelange Korruptionsaffäre ziehen.

Nach einer Selbstanzeige 2016 ermittelten Behörden aus Frankreich, Großbritannien und den USA gegen Airbus. Es geht um Flugzeugverkäufe über Mittelsmänner und Millionenbeträge, die in dunkle Kanäle verschwunden sind. Das österreichisches Magazin ZackZack, das von dem früheren Wiener Nationalratsabgeordneten Peter Pilz herausgegeben wird, hat die österreichischen Verstrickungen in der Eurofighter-Affäre kürzlich genüßlich dokumentiert.

Zwar hatte Enders bereits 2007 einen „Compliance-Manager“ eingesetzt, der auf gesetzlich und regulatorisch konformes Verhalten achten sollte, um Strafen und Schadenersatzforderungen von Behörden, Firmen, Privatpersonen künftig zu vermeiden. Doch der Compliance-Stab hatte nur beschränkten Zugriff auf die hochkomplexe Firmenstruktur. Insbesondere die internationale Verkaufsabteilung führte wohl ein Eigenleben – nach dem Motto: Umsatz first.

Als nach einer Restrukturierung genauer in die Bücher geschaut wurde, schrillten in der Konzernführung die Alarmglocken. Was unternehmensinterne Ermittler dabei gefunden haben, dürfte noch für peinliche Anekdoten sorgen. Alleine wäre Airbus in der Branche damit nicht. 2017 wurde beispielsweise der Triebwerkshersteller Rolls-Royce zu einer Strafe von 790 Millionen Euro verurteilt. Unter anderem soll der britische Traditionskonzern treue Kunden mit Luxuslimousinen beschenkt haben.

Stellenabbau in der kriselnden Rüstungssparte

Mit solchen Abenteuern will Airbus nichts mehr zu tun haben. Volle Auftragsbücher in der Zivilsparte hat das Unternehmen auch so: Der Auftragsbestand lag zu Monatsbeginn bei 7.482 Flugzeugen. Nur 880 Maschinen sollen davon in diesem Jahr tatsächlich ausgeliefert werden, es gibt weiterhin jahrelange Wartezeiten: „Wir sind ausverkauft“, mußte Konzernchef Faury eingestehen. Eine Produktion von 65 bis 67 Flugzeugen monatlich, mehr sei wegen der Lieferfristen bei den Triebwerken nicht möglich. Nur bei der kleinen, von Bombardier übernommenen A220-Baureihe gebe es noch Kapazitätsreserven.

Weniger Glück hat Airbus in seiner Militärsparte. Zwar wird der taktische Transporter A400M längst ausgeliefert, doch noch immer gibt es Kinderkrankheiten. Die volle Einsatzbereitschaft erwartet Airbus erst 2021. Vielleicht finden sich dann mehr Käufer, derzeit schlägt der Flieger mit einem Zusatzaufwand von 1,2 Milliarden Euro zu Buche. Weitere 221 Millionen Euro kostet der Ausfuhrstopp für Rüstungsgüter der Bundesregierung nach Saudi-Arabien.

Der sich im Krieg mit dem Jemen befindende Erdölstaat betreibt den Eurofighter und war auch am A400M interessiert. Die Retourkutsche für die zurückgehaltenen Ausfuhrgenehmigungen: Der Leiter von Airbus Defence and Space, Dirk Hoke, stimmte die Betriebsräte auf einen Abbau von 2.300 der 34.000 Stellen ein. 750 Arbeitsplätze könnten dabei in Oberbayern (Manching, Ottobrunn) wegfallen. Und wenn sich das Bundesverteidigungsministerium für die Boeing F-18 als Tornado-Nachfolger entscheidet, würde es noch dramatischer.

Ein Wechsel innerhalb des Konzerns ist kaum möglich, denn vom boomenden Zivilflugzeugbereich dürften die deutschen Airbus-Standorte weniger profitieren. Nachdem der kanadische Flugzeugbauer Bombardier Aerospace durch die neu entwickelte „CSerie“ – eine Passagierflieger-Familie mit 100 bis 165 Plätzen – in finanzielle Schwierigkeiten geriet, übernahm Airbus seit 2017 schrittweise Anteile an dem von Bombardier ausgelagerten Unternehmen und vermarktet die CS100 und die CS300 nun als Airbus A220 – den derzeit kleinsten Flieger im Airbus-Angebot.

Damit konkurriert Airbus nicht nur im oberen Passagiersegment mit Boeings 737 Max, sondern nimmt dessen wichtigstes Modell auch von unten in die Zange. Da amerikanische Kunden aus dem 2015 für eine Milliarde Euro errichteten Airbus-Werk in der Hafenstadt Mobile (Alabama) beliefert werden, umgeht der Konzern Strafzölle, die US-Präsident Donald Trump androhte.

Derzeit verlassen monatlich fünf Flieger aus der A320-Familie die US-Montagestätte. Für eine zweite Fertigungslinie kündigte Airbus weitere Investitionen von einer halben Milliarde Euro an. Bis zu fünf A220 zusätzlich zu den bis zu zehn Stück im kanadischen Stammwerk sollen hier im Monat entstehen. Zugleich soll die derzeitige A320-Produktionsrate auf sieben Flugzeuge gesteigert werden. Insgesamt plant Airbus, jährlich rund 130 Flieger „Made in USA“ zu verkaufen. Trump wird es freuen zu hören, Boeing und die deutschen Airbus-Beschäftigten weniger.

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