© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/20 / 28. Februar 2020

Blick in die Medien
Jung und sehr naiv
Tobias Dahlbrügge

Tilo Jung hat aus seinem jugendlichen Online-Format „Jung & naiv“ (JF 40/15) die kleine links-alternative Medienmarke naiv.tv mit großer Reichweite entwickelt. Seinem Youtube-Kanal folgen 372.000 Abonnenten, seinem Instagram-Profil gute 26.000 und bei Facebook haben 281.000 Nutzer „Gefällt mir“ geklickt. 

In der Bundespressekonferenz als durchaus kritischer Fragensteller angefangen, stehen ihm heute Spitzenpolitiker aller Parteien sowie Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur gerne Rede und Antwort – die junge Internetzielgruppe fest im Blick. Mittlerweile sind eigene Mitarbeiter, der „Aufwachen“-Podcast, ein Grimme-Preis und jede Menge einseitige „Haltung“ dazugekommen. Die Piratenpartei nominierten den 34jährigen sogar für die Bundesversammlung.

Stalin, Mao und auch die DDR waren autoritär und damit nicht links, sondern rechts. 

Wie naiv Jung tatsächlich ist, zeigte er jüngst bei einer Diskussion auf Twitter. Dort verstrickte er sich in eine krause Argumentation zu seinem Faschismusbegriff und zum Linksextremismus: „Linksextremisten“ sehe er nicht „in Parlamenten“, und „linke Faschisten gibt es nicht!“ 

Ex-AfDler Marcus Pretzell mischte sich ein: „Was waren denn Stalin, Mao und Che Guevara?“ Jungs wirre Antwort: „Autoritäre Herrscher, Diktatoren … Rechter geht’s gar nicht.“ Kommunisten sind in Wahrheit also böse Rechte, das muß man erst mal sacken lassen. Nur damit er „es verstehe“, hakte Pretzell nach: „Die DDR war auch rechts, ja?“ Jungs verdrehte Logik: „DDR war bis 89 ein autoritäres Regime, ergo rechts“. Anscheinend waren ihm diese Irrungen kurz darauf so peinlich, daß er sie klammheimlich löschte und auf den Einwand „Dann ist Anarchokapitalismus links“ gar nicht mehr erst reagierte.

Das kommt dabei heraus, wenn neuartige Formen des Journalismus ihr Geschichtswissen von Guido Knopp, Wikipedia und Youtube beziehen.