© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/20 / 06. März 2020

Ländersache: Berlin
Behörde für Blanko gegen Bares
Ronald Berthold

Ist etwas knapp, bietet sich finsteren Gestalten die Gelegenheit, damit zu handeln. Im sozialistisch regierten Berlin ist einiges knapp. Da die Hauptstädter keine Termine in den Bürgerämtern bekamen, um ihre Pässe und Ausweise zu verlängern, entwickelte sich ein hübscher Schwarzmarkt, auf dem Banden die Termine einfach verkauften – und reißenden Absatz bei braven Bürgern fanden. Auch mit Aufenthaltstiteln für Ausländer wird in der Spreemetropole eifrig gehandelt. Allerdings – wie in „failed states“ üblich – mit üppigen Schmiergeldern. Nun mußte die Polizei einschreiten.

Eine 36jährige Mitarbeiterin des Bürgeramtes ließ sich jeweils 5.000 Euro bezahlen, damit sie ausreisepflichtigen Migranten Aufenthaltsgenehmigungen verschaffte. In der Wohnung der Deutsch-Bosnierin fand die Polizei 28.000 Euro. Um insgesamt mindestens sieben Fälle soll es gehen. Auf der anderen Seite stand die Bande eines Pakistaners, der die Titel an seine „Kunden“ weiterverkaufte. Somit war allen gedient: die Angestellte freute sich über einen schönen Nebenverdienst, der Gauner über eine hübsche Spanne und die Illegalen über den unbefristeten Aufenthalt. Doch nun ist Schluß mit lustig: Die Behördenmitarbeiterin und der Bandenchef sitzen in Haft.

Die Polizei befürchtet, dieser Fall könnte nur einer von vielen sein. Und das scheint bei dem Hintergrund, vor dem sich die Bestechungsgeschichte abspielt, nicht unwahrscheinlich. Denn aus der Ausländerbehörde haben Unbekannte massenhaft Blanko-Aufenthaltstitel gestohlen. Bei mehreren Einbrüchen sollen mindestens 20.000 in die Hände der Täter gefallen sein. 

Eine Anfrage der AfD ergab, daß nur 1.500 Aufenthaltsgenehmigungen wieder aufgetaucht sind. Von den noch im Umlauf befindlichen 18.500 sind lediglich 300 bei illegalen Einreisen entdeckt worden. Aufgrund der Berliner Sicherheitslücken sah sich die Bundespolizei im Sommer sogar veranlaßt, einen bundesweiten Warnhinweis herausgegeben.

Denn vergangenes Ostern kam dazu noch das Dienstsiegel weg, so daß die Verbrecher sich nicht einmal mehr die Mühe machen mußten, die Dokumente mit einer Kopie abzustempeln. Nun liegt alles in einer Hand – etwa so, als wenn Diebe nicht nur an die EC-Karte gelangen, sondern auch an die PIN. Allerdings kann der Bankkunde die Karte schnell sperren lassen.

Da sich Berlin bisher weigert, die Daten illegal zugewanderter Migranten digital abzuspeichern, ist eine Sperre nicht möglich. Bereits 2011 wurde die bundesweite Einführung elektronischer Aufenthaltstitel beschlossen. Doch die Bundesländer haben bis zum kommenden Jahr Zeit, dies umzusetzen. Berlin knautscht diesen Spielraum bis zum letzten Moment aus – obwohl es aufgrund der Einbrüche durchaus Gründe gäbe, sich ein wenig zu beeilen. Offiziell argumentiert das Land mit „kapazitären Gründen“ – was auch immer das heißen mag. Solange vergibt die Hauptstadt wie Dritte-Welt-Länder sogenannte „Klebe-Etiketten“, die sie einfach in die Pässe klebt.

Daß die Ausländerbehörde kürzlich in „Landesamt für Einwanderung“ umbenannt wurde, ist in diesem Zusammenhang sicher nur ein Zufall. Spötter meinen aber: „Nomen est omen.“