© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/20 / 06. März 2020

Stellvertreterkrieg
Politisierung des Fußballs: Haßplakate gegen Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp / Ultras und DFB stehen sich unversöhnlich gegenüber
Ronald Berthold

Der vergangene Bundesliga-Spieltag wird in die Fußballgeschichte eingehen. In den letzten 13 Minuten der Partie TSG Hoffenheim gegen Bayern München schoben sich die Spieler rund um den Mittelkreis freundlich den Ball hin und her. Es stand 0:6. Doch nicht die Gnade des Rekordmeisters mit dem unterlegenen Gegner, sondern Plakate der Bayern-Fans hatten zu der Aktion der Kicker geführt. Im Vordergrund stand eine Beleidigung gegen den Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp als „Hurensohn“. Doch das war nur ein Teil der Aussage. Tatsächlich ging es um etwas anderes.

Aufgrund wiederholter Beleidigungen gegen Hopp darf kein Anhänger von Borussia Dortmund in den kommenden beiden Jahren mehr ein Auswärtsspiel in Sinsheim, wo Hoffenheims Stadion steht, besuchen. Das bedeutet eine Bestrafung aller für das Fehlverhalten einiger und widerspricht der Zusage des DFB an die Fans, Kollektivstrafen abzuschaffen. Mit ihrem Plakat protestierten Bayern-Fans in erster Linie gegen den Wortbruch des DFB. In voller Länge lautet das Zitat, das über drei Banner gezeigt wurde: „Alles bleibt beim alten – Der DFB bricht sein Wort – Hopp bleibt ein Hurensohn“. Viele Medien zeigten nur die letzte Zeile.

Der SAP-Gründer ist für viele Fußball-Fans seit 2005 eine Haßfigur, als er mit seinen Milliarden begann, aus einem Dorfverein einen ambitionierten Bundesligisten zu formen. In nur drei Jahren war Hoffenheim aus dem Amateurbereich in die Eliteklasse durchmarschiert. Nun geriet Hopp erneut ins Fadenkreuz der Ultras, weil der DFB die Kollektivstrafe mit den Beleidigungen gegen ihn begründete. Die Fans sehen in ihm einen Mitschuldigen.

Ähnliche Aktionen gab es an diesem Spieltag auch in den Stadien des 1. FC Köln und des 1. FC Union. Auch hier folgten Spielunterbrechungen. Hintergrund ist ein elf Jahre alter Dreistufenplan des europäischen Fußballverbandes Uefa, der im Sommer 2019 vom Weltverband Fifa als Richtlinie eingeführt wurde und auch vom DFB umgesetzt wird. Demnach muß nach „menschenfeindlichen Beleidigungen“ zunächst eine Durchsage des Stadionsprechers erfolgen. Stellen die Zuschauer solche Aussagen nicht ein, folgt eine Spielunterbrechung, zuletzt der Abbruch. Das Spiel wird dann gegen den Verein mit den beleidigenden Fans gewertet. Wäre es in Hoffenheim so weit gekommen, hätte der FC Bayern die Partie, in der er hoch führte, 0:2 verloren.

Der Schiedsrichter hatte das Spiel zweimal unterbrochen, danach folgte die denkwürdige Ballschieberei der Spieler. Nach dem Abpfiff brach ein Sturm der Entrüstung los. Galt „Hurensohn“ im rustikalen Sprachgebrauch der Kurven zuletzt noch als eher harmlose Beleidigung, kündigte nun zunächst Bayern-Präsident Karl-Heinz Rummenigge an, die eigenen Fans „mit aller Schärfe zur Rechenschaft zu ziehen“. Der DFB-Präsident und viele andere Funktionäre folgten.

Von lebenslangen Stadionverboten und von Gefängnisstrafen war die Rede. Schalke 04 kündigte an, den Dreistufenplan demnächst nicht mehr einzuhalten, sondern sofort beim ersten Transparent oder Sprechchor die Mannschaft vom Spielfeld zu holen, das Spiel abzubrechen und eine Niederlage in Kauf zu nehmen. Rummenigge erwägt das nun auch. Der Trainer des SC Freiburg, Joachim Streich, sah die Verantwortung bei seinem Lieblingsgegner, der AfD. Manche Journalisten nahmen den Fehlpaß auf und stellten sogar Parallelen zum Amoklauf von Hanau her. Dies entbehrt nicht einer gewissen Komik: Die Bayern-Ultras mit ihrem Fanklub „Schickeria“ gelten als sehr weit linksstehend.

Das Ziel: ein „sauberes Stadion“

Wilde Proteste unter der Gürtellinie gegen Hopp sind so alt wie dessen Investment in Hoffenheim. Neu ist der Furor der Bundesliga-Funktionäre und die Bereitschaft, Spiele freiwillig zu verlieren, sollten sich die eigenen Fans danebenbenehmen. Dies soll auch für homophobe und rassistische Äußerungen gelten. Max Eberl, Manager in Mönchengladbach, wo Fans Hopp in der Vorwoche im Fadenkreuz zeigten, sprach stellvertretend für viele vom Ziel des „sauberen Stadions“. Die Fußballkultur solle „bunt wie unsere Gesellschaft“ werden. Der Kommunikationschef von Hertha BSC, Paul Keuter, wünschte sich in einem Sky-Interview einen „Block voller Transen“. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise mußten Bundesligaspieler mit dem Slogan „Refugees welcome“ auf dem Trikot auflaufen.

Langjährige Fans, deren Lebensmittelpunkt der Verein und die Stadionbesuche sind, sehen sich bei dieser Politisierung und dem Streben nach gesäuberten Kurven im Abseits. Der Protest und die Beleidigungen des vergangenen Wochenendes werden nicht die letzten gewesen sein. In der Bundesliga verschärft sich die Konfrontation zwischen traditionellen Anhängern, Ultras und politisch eifrigen Funktionären.