© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/20 / 06. März 2020

Andere Länder, andere Sitten
Coronavirus: Wie gehen die Demokratien Südkorea und Japan mit der Krankheitsgefahr um und was tut die autoritäre Volksrepublik China?
Paul Leonhard

Von China wurden inzwischen mehr als 80.000 Menschen als mit dem Coronavirus infiziert gemeldet. All jene zeigen Krankheitssymptome. Die Zahl der Neuinfektionen ist rückläufig, auch weil das Land die Zählweise zwischenzeitlich änderte. Waren es zu Hochzeiten täglich über 3.000, wurden am vergangenen Sonnabend 573 Neuinfektionen gemeldet, am Sonntag 202. Die meisten Fälle der neuen Lungenkrankheit traten wie bisher in der Provinz Hubei auf, wo das Virus Ende Dezember erstmals nachgewiesen wurde. Seitdem breitete es sich vom Tiermarkt der Millionenstadt in die ganzen Welt aus.

Gestorben sind an der Infektionskrankheit laut chinesischen Statistiken etwa 3.000 Bürger des sogenannten Reichs der Mitte. Entsprechend dem Alleinvertretungsanspruch der Volksrepublik China hat die Kommission auch alle aus Hongkong, Taiwan und Macau gemeldeten Fälle eingerechnet. 

Die von der chinesischen Regierung gegen die Ausbreitung des Virus getroffenen Sofortmaßnahmen, eine radikale Quarantäne von zeitweise knapp 70 Millionen Menschen, sind aus europäischer Sicht unvorstellbar drastisch. Menschen, die beispielsweise nach den verlängerten Neujahrsferien aus den Provinzen in die Hauptstadt Peking zurückkehrten, müssen sich seit dem 14. Februar einer zweiwöchigen sozialen Isolation in ihrer Wohnung stellen.

Südkorea informiert seine Bürger ausgiebig

Auch der medial stark rezipierte Aufbau eines provisorischen Krankenhauses für über 1.000 Kranke steht in Europa wohl außer Frage. Unternehmen wie der schwedische Möbelkonzern Ikea oder H&M haben vorübergehend ihre Warenhäuser im Land geschlossen, Volkswagen, Toyota, Honda, Airbus und Boeing ihre Fabriken.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die am 28. Februar das Risiko einer weltweiten Verbreitung des Virus von „hoch“ auf „sehr hoch“ geändert hat, würdigt die großflächige Quarantänepolitik Chinas. „Die einzige erfolgreiche Maßnahme, von der wir bislang erfahren haben, um die Krankheit Covid-19 einzudämmen, finden wir hier in China“, sagte Bruce Aylward, einer der Leiter einer Mediziner-Delegation, die im Auftrag der WHO für ein paar Tage China besucht hatte, auf einer Pressekonferenz: „Bürger von Wuhan, die Welt ist in eurer Schuld. So konnte dem Rest Welt Zeit erkauft werden.“

Südkorea, das von der Epidemie mit mehr als 4.200 positiv auf das Virus Sars-CoV-2 getesteten Menschen weltweit am zweitstärksten betroffen ist, meldete allein am Dienstag über 600 neue Fälle hinzu. 28 Menschen starben dort bis zum Redaktionsschluß an den Folgen der Coronainfektion. Die ostasiatische Demokratie hat die höchsten Krisenalarmstufe ausgerufen. Alle Schulen wurden geschlossen. Alle Daten werden geteilt. Nicht nur Personen mit Symptomen, sondern auch Träger des Virus werden gezählt, was die Verbreitungswege besser nachvollziehen läßt und so eine gezielte Unterbrechung der Infektionskette möglich macht. Per Smartphone-App kann sich jeder informieren lassen, ob ein gemeldeter Infizierter in ihrer Nähe gewesen ist. 

In Japan – mehr als 900 Infektionsfälle und zwölf Tote – wurden ebenfalls die Schulen für 13 Millionen Kinder und Jugendliche bis Ende März geschlossen. Zuvor war der Inselstaat wegen seines laschen Umgangs mit der Virusgefahr in die Kritik geraten. Höhepunkt war, daß japanische Passagiere mit einem negativen Testergebnis das Kreuzfahrtschiff „Princess Diamond“ im Hafen von Yokohama verlassen und mit dem Zug nach Hause fahren durften, während andere Passagiere in ihren Ländern 14 Tage isoliert wurden. 

Inzwischen ist bekannt, daß sich auf dem Schiff 751 Passagiere und Crewmitglieder infiziert hatten. Das sind Zahlen, die aus Sicht von Gesundheitsexperten nur die Spitze eines Eisbergs darstellen, da Japan anders als Südkorea kaum testet. „Für jeden positiv Getesteten gibt es wahrscheinlich Hunderte nicht Getestete mit milden Symptomen“, sagte Masahiro Kami, Chef des Medical Governance Institute in Tokio, dem Finanzdienst Bloomberg.

Japan will bis Olympia coronafrei sein

Erst auf Nachfrage des Internationalen Olympischen Komitees hat Japans Premier Shinzo Abe drastische Isolationsmaßnahmen beschließen lassen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu begrenzen. Ziel ist es, die Infektionskrankheit rechtzeitig vor Beginn der Sommerspiele Ende Juli unter Kontrolle zu bekommen. Der Fackellauf durch Japan soll wie geplant am 26. März in Fukushima starten.

Während in Japan darüber gestritten wurde, ob die mit Chartermaschinen aus Wuhan ausgeflogenen Japaner unter Quarantäne gestellt werden dürfen oder eine Isolierung ohne Erkrankung gegen die Menschenrechte verstoßen könnte, wurde im autoritären Singapur durchgegriffen. Bereits am 3. Januar, drei Tage nachdem China die WHO über die Ausbreitung der Krankheit informiert hatte, wurde auf dem Flughafen bei sämtlichen aus der Region Wuhan ankommenden Reisenden die Temperatur auf Fieber gemessen und diese gegebenenfalls sofort in Quarantäne genommen. Am Tag zuvor hatte das Gesundheitsministerium des südostasischen Stadt- und Inselstaates alle Ärzte alarmiert und die Gesundheitsbehörde angewiesen, Patienten mit Lungenleiden zu melden, die aus Wuhan eingereist waren. 96 Infizierte wurden festgestellt und alle Personen, die diesen näher als zwei Meter gekommen waren, ebenfalls isoliert. 

Inzwischen hat auch Singapur Einreisen drastisch eingeschränkt. So ist es für Personen, die sich in den letzten 14 Tagen in China aufgehalten haben, nicht gestattet, einzureisen, auch nicht im Transit. Die Nutzung bereits ausgestellter Kurzzeit- oder Mehrfachvisa ist für Inhaber eines chinesischen Reisepasses ausgesetzt.