© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/20 / 06. März 2020

Dorn im Auge
Christian Dorn

Wir bauen die schönsten Autos. Wir haben die schönsten Frauen. Aber unsere Filme sind wie Grabsteine.“ Die Diagnose des cineastischen Guerilleros Klaus Lemke unter dem Motto „Papas Staatskino ist tot“ treibt auch jenen verzweifelten Filmschaffenden um, der auf seiner Facebook-Seite „Es ist was faul im Staate Dänemark“ diese Filmförderpolitik kritisiert – und mir im Telefonat Abkürzungen um die Ohren haut wie „Spio“ (Spitzenorganisation der Filmproduktionen), FFG (Filmförderungsgesetz), FFA (Filmförderanstalt), FFF (FilmFernsehFonds), DFFF (Deutsche Filmförderfonds) oder BMK (Bundesministerium für Kultur). Das erinnert mich an das Lied „Was uns an die Leine legt“ von Stephan Krawczyk aus den 1980er Jahren der DDR-Diktatur. So ist keine Rettung möglich. 


Seit ich keinen Fernseher mehr habe, vermisse ich diesen keine Sekunde. Ich denk bei mir: Jedem seine eigene Parallelgesellschaft, bevor er in die „Restle“-Verwertung („Monitor“) gelangt. Seltsamerweise verschont mich der „Beitragsservice“ seit einigen Monaten mit seinen Mahnungen – als hätten die Betreffzeilen meiner verzögerten Ratenzahlungen („Extra-Gebühr Gehirnwäsche“, „Zwangsabgabe Staatsfunk“ u.ä.) am Ende doch ihre Wirkung getan. Eine ganze andere Wirkung wäre zu erzielen, würden rechte Aktivisten ähnlich kreativ zu Werke gehen wie linksalternative und an die seit geraumer Zeit überall eröffnenden Läden aus dem Clan-Milieu (Spätis, Barber-Shops, Shisha-Läden) nachts große Aufkleber auf den Schaufensterscheiben anbringen mit der Zeile: „ACHTUNG: Neueröffnung Geldwäscherei!“ Aber das erscheint dem identitären Bär wohl viel zu schwer.


Apropos: Die Realität verschwimmt überhaupt mit jedem Tag mehr – sei es der Aufkleber der „Klimaretter“, der uns auf Augenhöhe den Meeresspiegel vorhält, oder die schamanische Heilpraktikerin, der ich jeden Tag begegne, sobald ich aus dem Haus komme: als sei es eine Szene aus dem Zeitschleifen-Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ mit Bill Murray in der Hauptrolle oder aus der „Truman-Show“ mit Jim Carrey. Als wir uns das nächste Mal sehen, bemerkt die Schamanin, die doch eher auf die „Truman-Show“ tippt: „Ich wette, irgendwann fällt hier mal der Scheinwerfer runter!“ Bis dahin trösten wir uns mit den trostlosen Nachrichten im Deutschlandfunk, der uns belehrt, daß nun die USA mit den Taliban ein Friedensabkommen schlössen. Ich notiere mir: „Nicht nur beim Attenat / Taliban = moderat“ und „Ruft bald Allahu Akbar / Gernegroß aus Kandahar.“