© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/20 / 06. März 2020

Ein rechter Avantgardist
Nachruf auf den JF-Autor und Verleger Peter Boßdorf
Dieter Stein

Ich habe einen guten Freund verloren. Kein politischer Weggefährte begleitete mich länger als er. Wir trafen uns 1984 das erste Mal, als ich eines seiner politischen Seminare besuchte. Peter Boßdorf, in Nürnberg geborener und im rheinischen Meerbusch aufgewachsener Sohn ostpreußischer Vertriebener, stieg Anfang der 1980er Jahre im Studentenverband des Bundes der Vertriebenen (BdV) auf,  den er in Gesamtdeutscher Studentenverband (GDS) umbenannte.

Boßdorf krempelte den im Windschatten der CDU dümpelnden Verband um und machte ihn zum rechtsintellektuellen place to be der achtziger Jahre. Acht bis zehn Wochenendseminare jährlich organisierte er, darunter die „Marburger Diskurse“, „Bogenhauser Gespräche“, vor allem zum Thema einer aktiven Wiedervereinigungspolitik. Mit Referenten von Links bis Rechts stieß er geistig für uns die Fenster auf. 1988 kam es in München zum legendären Seminar „20 Jahre 68“, bei dem Rainer Langhans, Reinhold Oberlercher und Gerd Bergfleth auf Armin Mohler trafen.

Bei diesen mitreißenden GDS-Seminaren sammelten sich junge intelligente Köpfe, wurden inspiriert, politisch und publizistisch vielfältig aktiv zu werden. Aus diesem Myzel entsprang auch die erste Generation der JF-Autoren, darunter Martin Schmidt, Michael Paulwitz – und auch Peter Boßdorf selbst.

Das Sentimentale, Schrebergartenhafte der rechten Szene, konservativer Biedermeier waren Boßdorf ein Greuel. Er war einer der Motoren der Modernisierung. Sie kam ab 1990 in regelmäßigen Beiträgen für den JF-Kulturteil zum Ausdruck, dem er mit Kinokritiken, Autoren- und Künstlerporträts Esprit verlieh, darunter Texte über Futuristen und Dadaisten wie Hans Arp oder Max Ernst. Epigonenhaftes Nachbeten konservativer „Klassiker“ und sektiererisches Pathos ödete ihn an. Er animierte uns, den Staub wegzuwischen.

Peter Boßdorf erwarb sich den Ruf eines „Rechtsdadaisten“, seine lakonisch-lässige Schreibe war stilprägend, zog neue Autoren an. Er trug 1988 maßgeblich zur Gründung der Zeitschrift Etappe bei, zu deren engstem Zirkel Günter Maschke sowie Boßdorfs Freunde Andreas Raithel und Heinz-Theo Homann gehörten. Die ganze Zeitschrift war ein avantgardistischer Gegenentwurf zur betulich-musealen rechten Publizistik.

In der JF etablierte Boßdorf die Popkritik, in seiner Plattenkolumne „Neue Geräusche dieses Jahres“ widmete er sich Produktionen aus dem Independentsektor, Wave Gotik, Industrial. Seine unter dem Pseudonym „Karl Heinzen“ verfaßte wöchentliche Kolumne „Lockerungsübungen“ erschien erstmals 1994, wurde 2013 in „Knapp daneben“ umbenannt. Wir mußten hin und wieder Briefe von Lesern beantworten, denen in seinen Texten die hintergründige Ironie entgangen war.

Tonnen von Vinylplatten und CDs hortete Boßdorf in seinem Keller, an die 60.000 Bände dürfte seine in unzähligen antiquarischen Streifzügen ergänzte Bibliothek zählen. Seine literarischen, künstlerischen, musikalischen Interessen waren atemberaubend. Seine besondere Liebe galt Italien und vor allem Rom – und seinem Fußballverein FC Nürnberg.

Die Ironie, der Zynismus waren ihm eine Waffe, aber auch eine Schutzmauer, hinter der sich ein sensibler, einfühlsamer Mensch verbarg, der nie selbst das Rampenlicht suchte. Halt fand er als Ehemann und herzlicher Vater von fünf Kindern. Mit einer Arbeit über den jüdisch-österreichischen Sozial- und Staatstheoretiker Ludwig Gumplowicz wurde er 2005 promoviert, faßte beruflich Fuß im Bereich der Sicherheitspolitik. Seit 2004 arbeitete er in Bonn für einen Fachverlag, seit 2007 als Geschäftsführer und Chefredakteur mehrerer deutsch- und englischsprachiger Fachpublikationen.

Peter Boßdorf starb am 27. Februar in Bonn im Alter von 57 Jahren. Wir werden ihn nicht vergessen.