© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/20 / 06. März 2020

Gestalter in Bewegung
Soziale Medien: Die neuen Kanäle haben ein neues Berufsfeld im Journalismus geschaffen
Christian Schreiber

Motion Design hat sich in den vergangenen Jahren zu einem neuen Berufsfeld im Journalismus entwickelt. Sei es Bilds Angebot bei Snapchat, ein Funk-Format bei Instagram oder das Social-Media-Angebot der Burda-Studios: insbesondere für kurze Bewegtbilder und Animationen sind Rundum-Experten für „bewegte Gestaltung“ unerläßlich. 

„Motion Design ist keine singuläre Erfahrung, wie Printdesign oder Plakatdesign, sondern ich muß mich um viele verschiedene Dinge kümmern: Zeit, Einstellungen und so weiter. Man muß ein bißchen Kameramann sein, filmaffin sowieso, und man muß sich auch ein bißchen mit Ton auskennen. So ergibt sich ein sehr umfassendes Berufsbild, das wahnsinnig abwechslungsreich ist“, erklärt Michael Reissinger, Geschäftsführer der Hamburger Agentur Deli Creative Collectiv. 

Die Arbeit von Motion Designern hat jeder Kinobesucher wohl unwissentlich schon im Kino gesehen. Als Musterbeispiel werden oft die Intro-Sequenzen der James-Bond-Filme genannt. Mit Musik unterlegt fließen Wörter, Formen und Illustrationen ineinander, mal düster und geheimnisvoll, mal gewaltig und farbenfroh. Dieses Zusammenspiel kann den Zuschauer auf die Atmosphäre des nahenden Abenteuers einstimmen, oder eben auch auf einen Nachrichtenbeitrag oder ein kreativ untermaltes Kurzinterview.

Vom Film zu Facebook

Die Kunst des Motion Designs liege in der Kombination einzelner Formate, grafischer Stilmittel, 3D-Modelle und Ton, erklärt das Portal Designbote: „Perfekt aufeinander abgestimmt ergeben diese Einzel-Disziplinen ein rundes Bild, was im Idealfall mehr als bloßen Informationsgehalt vermittelt und Emotionen beim Zuschauer auslöst.“ Ein Motion Designer gestaltet demnach Film-Vorspänne, Werbeclips, Erklärfilme und interaktive Animationen – also alles das, was vermehrt in den digitalen Pressekanälen verlangt wird. Der Gestalter ist dabei auch Redakteur oder stimmt sich eng mit diesem ab, schreibt neben den reinen Informationen sein eigenes Drehbuch, überlegt sich die Dramaturgie und ist zuständig für die Visualisierung, die Animation und den Filmschnitt. 

Die Einsatzgebiete sind ebenfalls vielfältig. „Nur die zentrale Frage ist für all jene, die sich dem Motion Design widmen, gleich geblieben: Was wollen wir vermitteln und für wen ist diese Botschaft bestimmt?“, beschreibt die Filmakademie Baden-Württemberg das neue Berufsfeld. Motion Design spielte zuerst beim Erfolg des Zeichentrickfilms und dann in den achtziger Jahren beim Durchbruch privater Musiksender wie MTV eine zentrale Rolle. Mit dem Aufkommen der Sozialen Medien hat sich nun ein Berufszweig mit Übergängen zum klassischen Journalismus gebildet. 

Videoportale wie Youtube und Vimeo sowie Online-Netzwerke wie Facebook, Twitter und TikTok sind für viele Verlage zu einer neuen Plattform geworden. Und auch die politischen Parteien bedienen sich immer häufiger Motion Designern in ihren PR-Teams, um politische Botschaften unters Volk zu bringen. 

„Alles, was wir künftig sehen und wahrnehmen werden, wird immer weniger statisch sein. Das sind sehr gute Aussichten für diese Experten“, sagt Richard Jung, Professor für Kommunikationsdesign und Corporate Identity an der Hochschule Niederrhein in Krefeld. Eine Konsequenz der Entwicklung: die Beiträge werden kürzer, die Schnitte schneller und die Effekte bunter.

An Filmakademien und Kunsthochschulen in Baden-Württemberg, Berlin und Hamburg wird mittlerweile ein eigener „MD“-Studiengang angeboten. Andere Hochschulen bieten den Studiengang als „Nebenfach“ an, zudem kann man in einer klassischen Werbeagentur eine entsprechende Ausbildung absolvieren. 

In einer Festanstellung als Motion Designer kann man derzeit bis zu 40.000 Euro verdienen. Allerdings basieren viele Beschäftigungsverhältnisse auf freier Mitarbeit. Deutschlandweit gibt es derzeit etwa 2.500 offene Stellen – mit oftmals besseren Aussichten als für einen klassischen Print-Redakteur. In einigen Bereichen kann sich „irgendwas mit Medien“ also wieder lohnen.