© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/20 / 13. März 2020

Die willige Koalition
Migrationskrise: Bundesregierung plant 1.500 minderjährige Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen / Grüne kritisieren den Beschluß
Björn Harms

Nun soll es also doch passieren: Die Bundesregierung hat sich in der Nacht von Sonntag auf Montag darauf verständigt, bis zu 1.500 minderjährige Migranten aufzunehmen, die derzeit in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln ausharren. Laut der Koalition geht es dabei um Kinder, die schwer erkrankt oder unbegleitet und jünger als 14 Jahre alt sind, die meisten von ihnen sollen Mädchen sein.

Deutschland sei bereit, im Rahmen einer „Koalition der Willigen“ auf europäischer Ebene „einen angemessenen Anteil“ zu übernehmen, hieß es zur Begründung. Die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer ging im Deutschlandfunk davon aus, daß sich weitere Staaten anschließen werden, darunter Frankreich. Gleichzeitig sicherte der Koalitionsausschuß Griechenland seine „Unterstützung und Solidarität“ beim Schutz der EU-Außengrenze zu. Auch bei der Unterbringung und Versorgung der in Griechenland ankommenden Migranten versprach die Regierung ihre Hilfe.

In der vergangenen Woche hatte der Bundestag noch einen Antrag der Grünen abgelehnt, der die Bundesregierung „im Rahmen eines bundesweiten Relocation-Programms“ dazu aufforderte, „ein Kontingent von 5.000 besonders  schutzbedürftigen  Menschen“ aufzunehmen. Bei einer namentlichen Abstimmung unterstützten nur 117 Abgeordnete das Verlangen, 495 Parlamentarier stimmten dagegen.

Am selben Tag soll es laut Bild am Sonntag bei einem Treffen der Unionsführung zum Streit zwischen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und dem Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus, gekommen sein. Brinkhaus habe Seehofer mit den Worten „Ihr habt nichts gelernt, die Leute wollen keine Flüchtlinge“ angeschrien haben, heißt es in dem Bericht.Während Seehofer im Kabinett sitze, sei er im Wahlkreis und spreche mit den Menschen, sagte Brinkhaus demnach weiter. Die Äußerungen fielen mit Blick auf die Ankündigung Seehofers, Flüchtlingskinder aufzunehmen.

„Da frieren noch Tausende“, beklagt die Grüne Jugend

Am Sonntag ruderte Brinkhaus ein Stück weit zurück: „Ich stehe sehr wohl dazu, daß dieses Land aus humanitären Gründen auch weiterhin Flüchtlinge aufnimmt“, teilte er mit. Das sei für ihn wie auch für die meisten Bürger in Deutschland „eine Frage des persönlichen politischen Selbstverständnisses und natürlich der Humanität“. Ihm gehe es jedoch darum, die Zuwanderung so auszusteuern, daß „die Tragfähigkeit von Migration und der Zusammenhalt in dieser Gesellschaft erhalten bleiben“. 

Den nun gefällten Beschluß der Bundesregierung sehen die Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion, Alexander Gauland und Alice Weidel, mehr als kritisch: „Wir alle wissen, daß es nicht bei der zwischen Union und SPD vereinbarten Zahl von bis zu 1.500 Personen bleiben wird. Schon bald wird der Ruf nach einem Familiennachzug laut werden, damit die Kinder und Jugendlichen nicht dauerhaft von ihren Eltern getrennt leben müssen“, erklärten die beiden. Nun sei klar: „Wer nach Deutschland will, muß nur seine Kinder vorschicken. Illegale Migration lohnt sich, lautet die fatale Botschaft.“ Mit ihrer Entscheidung falle die GroKo zudem der griechischen Regierung in den Rücken. 

Bei den Grünen zeigten sich hingegen viele enttäuscht über die vermeintlich niedrige Zahl von 1.500 Kindern. Zwar sei der Koalitionsbeschluß ein erstes „gutes Zeichen“, erklärte Robert Habeck in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. „Andererseits muß man sagen, daß 1.500 Flüchtlinge auf ganz Europa verteilt, gemessen an den wirklichen katastrophalen Zuständen in den Lagern, auch ziemlich kläglich ist.“

„Wir sollten viel mehr aufnehmen“, forderte auch das Mitglied im Bundesvorstand der Grünen Jugend, Timon Dzienus. „Da frieren noch Tausende“, klagte er, während die Wetterberichte für die griechischen Inseln derzeit nächtliche Temperaturen von neun Grad ausweisen und tagsüber rund 16 bis 18 Grad verzeichnen.