© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/20 / 13. März 2020

Grüße aus Rom
Depression greift um sich
Paola Bernardi

Als Papst Franziskus bei seiner sonntäglichen Ansprache plötzlich hustete und schniefte, da erstarrte die Menge der Gläubigen auf dem Petersplatz. Viele bekreuzigten sich. Wie Sturzfluten jagten sich die Gerüchte, gingen um die Welt: Nun hat das Corona-virus den Papst erwischt. Als der heilige Vater dann auch noch alle Termine, so auch die Fastenexerzitien der römischen Kurie in Ariccia, wegen Krankheit absagte, da schien es, als begänne sich Rom zu verschleiern. 

Der sonst so tobende Verkehr schien plötzlich leiser zu werden. Nun hatten die Menschen Zeit. Erst Tage später kam das Dementi aus dem Vatikan. Der Papst habe nur eine Erkältung, das hätte die Untersuchung ergeben, so die amtliche Erklärung.

„Bella figura“ ist nicht mehr angesagt – stattdessen greift die Depression um sich.

Rom in Zeiten des Virus, der von Italien aus sich in Europa verbreitet hat. Noch ist die Stadt nicht geschlossen, noch nicht zur roten Zone erklärt worden, wie Mailand und 14 Provinzen in Norditalien. Doch in Fiumicino, dem römischen Flughafen, kommen immer weniger Flugzeuge an. 

Wo sonst Gedränge herrscht, geht es jetzt ruhig und zivilisiert zu. Kindergärten, Schulen und Universitäten in Rom sind für eine weitere Woche geschlossen, was viele Familien vor Riesenprobleme stellt. Zum ersten Mal erleben nun die Italiener selber, was es heißt, nicht willkommen zu sein. 

Bisher war es Lega-Chef Matteo Salvini, der vor Fremden warnte und die italienischen Häfen sperrte. Jetzt müssen Mailänder und Römer das gleiche erleben, denn sogar Capri läßt keine Landsleute vom Festland auf die Insel. Und in der übrigen Welt müssen die Italiener, wenn man sie überhaupt einreisen läßt, endlose Formulare ausfüllen wie bisher nur in die USA. Rom ist leerer geworden. 

Das Schlimmste während dieser Seuchenzeit sind für die Italiener nicht etwa die Engpässe in  Supermärkten oder Apotheken, sondern die tägliche Warnung der Ärzte und Virologen, Körperabstand zu halten. Das bedeutet keine Menschenansammlungen und vor allem keine Wangenküsse bei Begrüßungen und keine Umarmungen. 

Man sieht den Freund auf der Straße, eilt auf ihn zu und plötzlich stoppt man, nimmt Abstand. Ausgerechnet dies muß den Italienern passieren, die immer „bella figura“ machen. Das wahre italienische Lebensgefühl, sich öffentlich darzustellen und jeden Platz zur Bühne zu machen auf der man die Hauptrolle spielt. Vorbei – Depression greift um sich.