© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/20 / 13. März 2020

Weiterhin auf Reformkurs steuern
Katholische Kirche: Der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz muß seine Kritiker besänftigen
Gernot Facius

Limburg, wieder Limburg. Das kleine Bistum mit gerade einmal 608.000 Seelen steht aufs neue im Fokus kirchenpolitischer Auseinandersetzungen. Diesmal geht es nicht um einen Oberhirten wie Franz-Peter Tebartz-van Elst, der sich einst daranmachte, modernistische Tendenzen zu stoppen, aber nach einem Skandal um sündhaft teure Bauprojekte nach Rom „entsorgt“ werden mußte. Diesmal, nach der Wahl von Tebartz-Nachfolger Georg Bätzing an die Spitze des deutschen Episkopats, befürchtet man im prononciert konservativen Spektrum einen Durchmarsch der Modernisten. Bätzing gilt als einer der Köpfe des Synodalen Wegs, einer neuen Art der Kommunikation zwischen Klerikern und Laien. Sein Leitmotiv: „Wir brauchen Veränderung, die wirklich sichtbar ist.“

Bemerkungen über eine Lockerung des Zölibats

Eine kirchliche Oppositionsgruppe um den Freiburger Pastoraltheologen Hubert Windisch, zu der unter anderem der ehemalige sachsen-anhaltische Ministerpräsident Werner Münch gehört, sieht mit diesem Weg eine „schiefe Ebene“ betreten, auf der es nur noch abwärts gehen könne. Zentraler Vorwurf: Es würden die Weichen gestellt für eine „zeitgeistpaßförmige“ Kirche, für eine „Protestantisierung“ des Katholizismus. Es gehe nicht mehr um „Kirche sein“, sondern um „Kirche machen“, man habe sich dazu entschieden, die Debatte um theologische Inhalte der öffentlichen Meinung zu unterwerfen.

Das Bistum Limburg gilt seit Jahrzehnten als progressives Glutnest. Unter Bischof Wilhelm Kempf wehte der Wind des Zweiten Vatikanischen Konzils an der Lahn immer kräftiger als anderswo. Den Gläubigen wurden weitgehende Mitbestimmungsmöglichkeiten gegeben. 1973 vermutete der damalige Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Corrado Bafile, in Limburg ein „Zentrum der Ausbreitung von Unordnung in den deutschen Diözesen“. Er empfahl die Abberufung von Kempf. Erfolglos.

Kempfs Nachfolger Franz Kamp-haus widersetzte sich dem von Rom verlangten Ausstieg aus der Schwangerschaftskonfliktberatung. Erst nach einem ausdrücklichen Befehl des Papstes wurde der Limburger Sonderweg beendet. Und Bischof Bätzing? Er will „kein zweiter Reinhard Marx“ sein, der den Vorsitz der Bischofskonferenz nach sechs Jahren abgegeben hat, muß aber Kritiker besänftigen, die ihm ein Abgleiten ins Beliebige attestieren. Eine Abschaffung der Weiheämter sei mit ihm nicht zu machen. „Das ist dann nicht mehr die katholische Kirche“, erklärte der neue DBK-Vorsitzende. Auch Hoffnungen auf gemeinsame Abendmahlsfeiern beim nächsten Ökumenischen Kirchentag 2021 erteilte er eine Absage. Immer wieder hat Bätzing freilich mit Bemerkungen über eine Zölibatslockerung aufhorchen lassen. „Ich glaube, daß es nicht schadet, wenn Priester verheiratet sind, weil sie dann auch diese Erfahrungen einbringen können“, zitierte das Internetportal katholisch.de den 58jährigen Theologen. Reaktion des konservativen Flügels: Privatmeinung, problematischer Alleingang!

Den Ausschluß von Frauen von Weiheämtern sieht Bätzing kritisch. Kurz nach seiner Wahl in Mainz schloß er Bemühungen um eine Sondererlaubnis für ein Frauendiakonat nicht aus. Eine solche Regelung, gab er in Interviews zu Protokoll, könnte als ein Beschluß am Ende des Synodalen Wegs stehen und dann nach Rom „transportiert“ werden. Die Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche nannte er die wichtigste Herausforderung seiner Amtszeit.

Für ihn gibt es keine Zweifel mehr daran, daß auch die kirchliche Lehre im Hinblick auf Partnerschaft und Sexualität weiterentwickelt werden müsse, um angesichts der Lebens- und Glaubenserfahrung vieler Katholiken „anschlußfähig“ zu werden. Die Frage sei, wie man „zu einer neuen Bewertung“ gleichgeschlechtlicher Beziehungen komme, die Akzeptanz und Unterstützung durch die Kirche suchten. Daß Bätzing damit für die Mehrheit seiner Amtsbrüder in Deutschland spreche, sei nicht gesagt, urteilte die Frankfurter Allgemeine. Dennoch erhielt er, von seinen Amtsbrüdern nach mehreren Wahlgängen mit einfacher Mehrheit gewählt, auch Stimmen aus den Reihen derer, die seine Ansichten nicht teilen.

Bis zu 50.000 Euro für Mißbrauchsopfer

Wie steht es um sein Selbstverständnis als Marx-Nachfolger? „Ich verstehe mich als eine Art Klassensprecher“, lautet die Antwort Bätzings. Er ist wie alle seine Vorgänger weder Chef der Bischöfe noch quasi der „deutsche Papst“, sondern hat eine koordinierende Funktion. Skeptiker meinen freilich, unter dem neuen Vorsitzenden werde ein Kurs gefestigt, in dem der Missionsgedanke zugunsten medialer Präsenz zurückstehen solle. Sie loben ausdrücklich den Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, der seine Predigt während der Frühjahrskonferenz ganz unter das Zeichen des biblisch begründeten Missionsauftrags stellte. Die katholische Zeitung Die Tagespost machte sich zum Sprachrohr des Kirchenflügels, der die Meinung vertritt, daß sich die Preisgabe des Missionsbegriffs zugunsten einer „konturlosen Rede von Evangelisierung“ bereits abzeichne.

Auf Georg Bätzing warten, bevor er sich seinen umstrittenen großen Reformprojekten widmen kann, erst einmal die Mühen der niederen Ebenen. Bis zu 50.000 Euro sollen Opfer sexuellen Mißbrauchs durch Männer der Kirche erhalten. Diese Entschädigungssumme bleibt weit hinter der ursprünglichen Empfehlung einer unabhängigen Arbeitsgruppe zurück, die der Bischofskonferenz 2009 vorgelegt wurde. Der Neue an der Spitze der DBK muß versuchen, den darüber entstandenen Unmut zu kanalisieren. Eine erste Bewährungsprobe für den Marx-Nachfolger.