© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/20 / 13. März 2020

Der Flaneur
Unter den Linden
Elke Lau

Wir nutzen das milde Wetter und fahren nach Berlin. Angekommen geht’s zuerst zum BVG-Laden, um Fahrscheine zu kaufen. Die Frage des Angestellten „Normale?“ beantworten wir mit „Nee, bekloppte.“ Leider hat der Mann nicht den gleichen Humor wie seine Kollegin bei unserem letzten Besuch.

Die Baufortschritte beim Stadtschloß stehen auf dem Programm. Auf dem U-Bahnsteig ist Hochbetrieb. Gerade fährt der Zug ein und die Massen stürmen los. Die erste Waggontür ist überfüllt, ebenso die zweite. Wir hetzen zur dritten, in der eine Mutter mit Kinderwagen ungerührt den halben Türbereich zuparkt. Eine Kopftuchträgerin mit Kind und wir quetschen uns dennoch resolut dazwischen, als längst „zurückbleiben“ angesagt ist. Unsere Mitstreiterin ist empört: „Die bewegen sich keinen Zentimeter, obwohl der Mittelgang frei ist.“ Wo sie recht hat, hat sie recht.

Der neue Zugang zum Pergamon-Museum ist für uns eine Lachnummer.

An der Friedrichstraße steigen wir aus und laufen bis zur Prachtallee Unter den Linden. Der Anblick ist enttäuschend, denn vor lauter Baucontainern und Absperrungen sind weder Linden noch historische Gebäude zu bewundern. Der neue hochmoderne Zugang zum Pergamon-Museum ist für uns eine Lachnummer. Vielleicht hätte er besser an die Schießscharten der modernen Spreefassade des Stadtschlosses gepaßt.

 Als wir nun unschlüssig an einer Ampel stehen, versammelt sich ein Trupp der Bundeswehr auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Ampel wird grün. Etwa achtzig Leute in Uniform marschieren fast geräuschlos los. Einige der Männer scheinen farbenblind zu sein. Obwohl die Ampel längst rot ist, übt die Truppe den Schulterschluß.

Bei dem nun einsetzenden Nieselregen vergeht uns die Lust an weiteren Besichtigungen. Wir setzen uns in den Doppeldeckerbus der Linie 100 und fahren zum Zoo – mit demselben Fahrschein. Eben wie bei „Hop on, hop off“ nur billiger.