© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/20 / 13. März 2020

Münchner Hofnarr
Roman Deininger berichtet für die „Süddeutsche Zeitung“ über die CSU. Seine wenig empa­thischen Beobachtungen liegen jetzt als Buch vor
Paul Rosen

Wenn Roman Deininger am Abend nach dem Tag in der Redaktion mit Freunden und Kollegen beim Italiener in Schwabing vor der vermutlich veganen Pasta hockt, hat er ein Problem: Er arbeitet zwar bei der „richtigen Zeitung“ (der Süddeutschen und nicht etwa bei dem unter Rechtsverdacht stehenden Merkur), aber er ist für die „falsche“ Partei zuständig: die CSU. Seit vielen Jahren begleitet Deininger die Christsozialen auf ihrem Weg, dessen Verlauf er auch klar erkennt: nach unten. 

Deininger hat aus seinen Beobachtungen ein Buch gemacht: „Die CSU – Bildnis einer speziellen Partei“.  Entstanden ist ein Doppelbildnis nicht nur einer Partei (auch wenn da einiges schief ist), sondern auch von ihm selbst. Denn Deininger leidet unter der Beobachtung einer Welt, deren Hintergründe und Geheimnisse ihm letztlich verborgen bleiben. Viel lieber würde er, das wird in dem Buch deutlich, auf den Spuren der Grünen wandeln. „Wenn man Ludwig Hartmann (Fraktionschef der Grünen im Landtag) … am Biertisch mit den Leuten reden hört, ist schnell klar, was die Grünen von der CSU unterscheidet: Lockerheit, Optimismus, Lebensnähe.“ Hartmann bekommt auch noch das Prädikat „supersympathisch“, womit alles gesagt wäre. 

Der Leser könnte jetzt das Buch zuklappen und an die Seite lege. Aber es lohnt sich dennoch ein weiterer Blick vorbei an den zahlreichen Selbstbespiegelungen des Autors, der mehr einen Einblick in das linksgrüne Denken über die CSU als in den „Mythos CSU“ selbst gibt, wie Edmund Stoiber seine Partei einstmals beschrieb. 

Die Süddeutsche Zeitung und die CSU, das sind zwei Kräfte, die sich stets aneinander gerieben und nie verstanden haben. Herbert Riehl-Heyse, Heribert Prantl und andere hatten praktisch ihr gesamtes Lebenswerk investiert, um gegen finstere CSU-Kräfte anzuschreiben, gegen angebliche Schweinereien von Strauß, gegen die vielen Streibls, Tandlers, Stoibers, Hubers und wie sie alle hießen. Gebracht hat es nichts: Die CSU erreichte in dieser Zeit ihre besten Wahlergebnisse (andererseits war es auch die beste Zeit der heute nicht mehr so gesunden Süddeutschen Zeitung). Für die CSU und ihre Granden waren Journalisten immer das, was früher bei den Wittelsbachern die Hofnarren waren: Man ließ sie machen und erzählen, besonders ernst nahm man sie nicht. Die Süddeutsche Zeitung war angeblich Ausdruck der gewissen Moderne: Wer sich in München positiv darstellen wollte, ging mit der Süddeutschen unterm Arm in den Biergarten; und wer in Bayern was werden wollte, ging in die CSU. Das eine schloß das andere übrigens nie aus. 

Deininger schreibt eine detailreiche Chronologie des Niedergangs der den Freistaat seit Jahrzehnten beherrschenden Partei. Er schildert die Versuche des heutigen CSU-Chefs und Ministerpräsidenten Markus Söder, der als eine Art neuer Kreuzritter und wiedergeborener Strauß begann und inzwischen die Farbe Grün als Elixier der CSU ansieht, da die alten Werte und Milieus wackeln, die große Klammer der bayerischen Identität schwächer wird: „Die einzige gesellschaftliche Klammer, der man im Jahre 2019 beim Wirken zusehen kann, ist das Bewußtsein für die ökologische Frage. Die CSU war die Partei des kleinen Mannes, sie war die Partei der Wirtschaft. Sie war nie die Partei der Umwelt. Durch dieses Tor gehen nun die Grünen“, schreibt Deininger, womit er falschliegt. Der erste Umweltminister amtierte 1970 in Bayern, 1984 erhielt der Umweltschutz im Freistaat Verfassungsrang. 

Aber trotz ihrer „spektakulären Ergrünung“ (Deininger) kann die CSU das Erstarken der grünen Originalpartei nicht verhindern, so wie sie früher die Bayernpartei niederringen und eine dauerhafte Etablierung von NPD und Republikanern verhindern konnte. Letztere konnten damals klein gehalten werden, indem die CSU deren Forderungen weitgehend übernahm, während sie heute die AfD zu ihrem Hauptgegner erklärt. Die Ergrünung bringt der CSU also genausowenig wie die Abgrenzung nach rechts. Vermutlich folgt die CSU damit zwar langsam, aber sicher dem Weg der Bayernpartei in den Abgrund einer reinen Regionalpartei. So weit mag Deininger nicht gehen. Schließlich braucht jeder Hofnarr seinen Königshof. 

Roman Deininger: Die CSU – Bildnis einer speziellen Partei. C.H. Beck, München 2020, gebunden, 352 Seiten, 24 Euro