© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/20 / 13. März 2020

Aus dem linksliberalen Elfenbeinturm
Das Portät der US-Journalisten Philip Rucker und Carol Leonnig über Präsident Donald Trump gerät zu einer Abrechnung mit etwas zu viel Schaum vor dem Mund
Thorsten Brückner

Ein „goldenes Zeitalter für den Journalismus“ nannte der für das Weiße Haus zuständige Bürochef der Washington Post, Philip Rucker, einst die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten. Zwar fände er viele von Trumps Stellungnahmen „ekelerregend“, dennoch begegne er dem Präsidenten stets mit Respekt, so Rucker im September 2017 bei einem Auftritt im schweizerischen Luzern. Mit einem respektvollen Umgang hat Ruckers Buch „Trump gegen die Demokratie“ allerdings wenig zu tun. Schon im Prolog merkt man ihm und seiner Co-Autorin Carol Leonnig – immerhin Pulitzer-Preisträgerin – an, daß beide beim Namen „Trump“ nicht ohne Schaum vor dem Mund schreiben können. 

Wer auch nur einen Funken Fairneß gegenüber dem Amtsinhaber im Weißen Haus erwartet, ist mit Ruckers und Leonnigs Pamphlet schlecht bedient. Selbst längst widerlegte Vorwürfe – etwa, daß Trump mit den Russen kollaboriert und sich so auf undemokratischem Weg die Präsidentschaft gesichert habe – werden darin weiter kolportiert. Als Kronzeugen für Trumps angeblichen Jähzorn und Unberechenbarkeit müssen dabei auch so parteiische Figuren wie die Tochter Alexandra der demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, herhalten. Nicht fehlen dürfen dabei freilich auch die für die Washington Post in ihrer Diffamierungskampagne gegen Trump zum Alltag gehörenden namenlosen Quellen.

Das Buch ist daher auch durchzogen von Beschreibungen des Präsidenten als „wütendes Kind“, „reizbar“ und „bockig“, „autoritär“ sowie „eine Gefahr für das Land“. Und in einem Buch, erkennbar geschrieben für die eigene Fan-Base leidenschaftlicher Trump-Hasser, dürfen selbstverständlich auch Rassismusanschuldigungen nicht fehlen. „Er hat den Kern der nationalen Identität in Frage gestellt, nach der die USA divers sind, ein Zufluchtsort für Menschen aller Rassen und Glaubensrichtungen“, klagen Rucker und Leonnig an. Und weiter: „Er hat die Verfechter weißer Vorherrschaft und die Fanatiker unter seinen Anhängern nicht zum Schweigen gebracht, sondern stattdessen gelegentlich selbst rassistische Töne angeschlagen.“ Das übliche Beltway-Geschwätz aus dem linksliberalen Elfenbeinturm.

Auch läßt es tief blicken, wofür die beiden Autoren Trump inhaltlich kritisieren. Er habe den „regulierenden Staat geschwächt“, die „Grenzkontrollen verschärft“ und es allen Ernstes gewagt, Richter zu ernennen und damit „die Bundesgerichte umgestaltet“ – also das, was US-Präsidenten seit George Washington tun. Besonders lustig der Vorwurf: „Trumps Fixstern war der Erhalt der eigenen Macht.“ Wie ungewöhnlich für einen Präsidenten oder überhaupt für Politiker, die natürlich ansonsten alle ganz uneigennützig als kleine Arbeiter im Weinberg des Herrn in Washington unterwegs sind. 

Und natürlich ließen es sich die beiden Woodward- und Bernstein-Imitate auch nicht nehmen, zumindest im Epilog noch auf das Telefongespräch Trumps mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selensky und das daraus resultierende Amtsenthebungsverfahren einzugehen. Auch hier – wie überraschend – betätigten sich Rucker und Leonnig einmal mehr als Hilfspressesprecher für die Demokratische Partei – vielleicht eine Möglichkeit zur beruflichen Neuorientierung, wenn es mit ihrer Vorstellung von Journalismus mal nicht mehr klappt. 

Ihre Haltung machten Rucker und Leonnig kurz nach Erscheinen des Buches nochmals in einem Auftritt bei Comedian Stephen Colbert deutlich. Der bezeichnete das Buch übrigens – Ironie aus – als „Nummer-1-Bestseller im Bereich Non-Fiction“. Von Rucker und Leonnig kam auch diesmal nicht ein kritisches Wort zur Impeachment-Farce der Demokraten oder zu Nancy Pelosi, die kurz zuvor demonstrativ Trumps State-of-the-Union-Rede zerrissen hatte. Im Gegenteil: Rucker würdigte sie dafür mit Ehrerbietung in der Stimme als „Meuchelmörderin“, was in bezug auf Trump in linken Kreisen Washingtons offenbar als Kompliment gilt.

Daß das Buch auch unter deutschen Trump-Hassern populär sein wird, die über den Präsidenten gerne das glauben wollen, was in Mainstreampublikationen steht, ist dennoch nicht ausgemacht. Auch wenn etwa der Stern den Autoren eine „neutrale Beobachterperspektive“ attestiert, dürften viele Leser schon nach der Lektüre der ersten Seiten abgestoßen sein vom geifernden, faktenresistenten Tonfall. Und auch inhaltlich ist das Buch aufgrund seiner zahlreichen Schilderungen vermeintlicher Details schwere Kost. Der Verlag bewirbt es dennoch mit dem Slogan: „Dieses Buch müssen Sie gelesen haben, um in diesem Jahr 2020 mitreden zu können!“ Eine gutgemeinte und an potentielle Leser denkende Empfehlung müßte dagegen lauten: Lassen Sie es bleiben, sparen Sie sich das Geld und nutzen Sie ihre Zeit besser!

Philip Rucker, Carol Leonnig: Trump gegen die Demokratie. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2020, gebunden, 560 Seiten, 22 Euro