© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/20 / 13. März 2020

Frisch gepresst

Was tun? Aus der Feder von Promis ist die Lebensberatungsliteratur ein eigenständiges Genre. Leser erwarten kluge Ratschläge und intime Details aus dem Leben des mehr oder minder berühmten Autors. Bettina Wulff ist prominent: Nicht nur wegen der überschaubaren Zeit im Schloß Bellevue, sondern auch der Jahre danach im beschaulichen Burgdorf. Regelmäßig füllt sie die Seiten der Bunte, sei es wegen eines Beziehungsanfangs oder -endes oder auch ganz niedersächsisch bodenständig mit Alkohol am Steuer. Nun wendet sich die Ex-Bundespräsidenten-Wieder-Ex-Frau – „ich bin absolut loyal und ein Beziehungsmensch“ – auf knapp 190 Seiten an die interessierte Öffentlichkeit, um in der Lebensmitte zu fragen: „Was ist es, was bleibt?“ Sie habe sich „intensiv“ mit sich „auseinandergesetzt“. „Die seelischen Wunden schmerzen … aber das Leben geht weiter.“ Wie wahr. Damit die frühere Premiere-Dame bei der Sinnsuche und den autobiographischen Aufräumarbeiten nicht allein ist, gesellt sich der Hannoveraner Pfarrer Heino Masemann als Co-Autor dazu. Ihm gelingt es, beim Beschreiben seiner Ehescheidung die biblische Geschichte der Trennung Abrahams von seinem Neffen Lot als Vorbild heranzuziehen. Überhaupt sind die christlichen Bezüge im Buch in der Regel EKD-mäßig rundgeschliffen: alles kann, nichts muß. Und das gleiche gilt für diese neueste Veröffentlichung der Präsidentengattin außer Dienst. Kann man lesen, muß man aber nicht. (vo)

Bettina Wulff und Heino ­Masemann: Anders als gedacht: Wie ich lerne, was wirklich zählt.bene!-Verlag, Solms 2020, gebunden, 192 Seiten, 18 Euro





Politische Rechte. Ideenlos nutzt der Schweizer Soziologe Walter Hollstein, der in Berlin lehrte, statt eines wissenschaftlichen einen essayistischen Ansatz zur Darstellung der wachsenden Erfolge europäischer Rechtsparteien. Was schade ist, da er immerhin nicht, wie die meisten Autoren dieser (Mach-)Werke, den Grund rechter Erfolge in zu wenig linksradikaler Durchdringung der Gesellschaft sieht, um letztlich mehr Umerziehung und Einschüchterung zu empfehlen. Hollstein sieht als Ursache vielmehr ein Übermaß an linker Ideologie der Eliten, die den Normalbürger mißachte. Kein Wunder, wenn überforderte Wähler dann in die Arme finsterer Rechter flüchteten. (mo)

Walter Hollstein: Das Gären im Volks Bauch. Warum die Rechte immer stärker wird. NZZ Libro, Basel 2020, broschiert, 198 Seiten, 24,90 Euro