© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/20 / 20. März 2020

Wer noch mal will, der hat noch nicht
Zurück auf Null
Boris Reitschuster

Der Polit-Witz ist in Rußland heute fast wieder so brillant wie zu Sowjetzeiten. Der neueste: Wladimir Putin kommt zu Petrus, der ihm sagt: „Bevor du in den Himmel kommst, mußt du ins Fegefeuer, und kriegst so viele Schläge, wie du Amtszeiten hattest. Putin ist erleichtert – bis er die Kosmonautin Walentina Tereschkowa im Fegefeuer sieht. „Was macht die da?“, fragt Putin. „Sie setzt den Zähler immer nach zwei Amtszeiten wieder auf null zurück“, antwortet Petrus, und Putin erbleicht. Der Witz spielt darauf an, daß Tereschkowa im Parlament den Vorschlag eingebracht hat, daß nach der Verfassungsreform Putins Amtszeiten annulliert werden sollen – womit er die Begrenzung auf zwei Amtszeiten nacheinander umgehen könnte.

Selbst Putins Anhänger bestreiten kaum, daß diese „Annullierung“ das wahre Motiv für die Verfassungsreform war, die er völlig überraschend im Januar angekündigt hatte. Kritiker sprechen von einem „Hütchenspiel“, mit dem der Staatschef die Russen hinters Licht führen wolle. So gut es möglich ist, daß Putin vor Ende seiner Amtszeit 2024 wie so oft noch neue Überraschungen auftischt: Nur wenige in Moskau zweifeln daran, daß er alles tun wird, um zumindest faktisch weiter an den Hebeln der Macht zu bleiben – lebenslänglich.






Boris Reitschuster ist Journalist und Autor mehrerer Bestseller über Rußland.