© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/20 / 20. März 2020

Gleich und gleich gesellt sich gern
Johannes Kahrs II: Der Haushaltsexperte besorgt nicht nur staatliches Geld für Werften, sondern auch für seine Vertrauten
Paul Rosen

Anfang des Jahres muß es einigen Mitarbeitern der Verwaltung des Deutschen Bundestages, die den Abgeordneten stets zuverlässig und diskret zur Seite steht, gereicht haben. Anläßlich der seit diesem Monat und bis in den Mai hinein stattfindenden Personalratswahlen legte der „Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden – Gewerkschaft Bundesbeschäftigte“ (VBOB) seine Wahlkampfzeitschrift vor. Und schilderte darin, wie der dem Haushaltsausschuß des Bundestags angehörende SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs aus Hamburg dafür sorgt, daß persönliche Günstlinge auf äußerst seltsame Weise Vollzeitstellen in der Bundestagsverwaltung erhalten. Die Zeitschrift schrieb von einem „Schmierenstück um Macherhalt, Beziehungsgeflecht und gegenseitige Gefälligkeiten“. 

Die Bundestagsverwaltung – das wissen nur wenige – ist größer als viele Ministerien. Sie ist eine oberste Bundesbehörde. Von Büros, Fahrdienst, Computern bis hin zu Fahrkarten und Tickets sowie Diäten gibt es von der Verwaltung für Politiker einfach alles, was das Leben schön macht. Selbst Gutachten werden von den Wissenschaftlichen Diensten auf Wunsch erstellt. Wieviel Geld und wie viele Stellen es für diese Verwaltung gibt, darüber befindet der Haushaltsausschuß des Parlaments.

„Wie vom Nürnberger Trichter gespeist“

Und hier kommt der Name Kahrs ins Spiel. Der ledige Jurist ist regelmäßig in Begleitung junger Männer im Bundestag zu sehen. Das sind wohl laut VBOB die „Personen aus seinem Umfeld“, denen Kahrs „zu einer Festanstellung in unserer Verwaltung verhilft – wohlgemerkt nicht nur einer einzelnen Person, was natürlich auch schon nicht o.k. wäre … Der Abgeordnete Kahrs hat das gleich für mehrere Personen aus seinem Umfeld praktiziert.“

Stellen in der Bundestagsverwaltung sind höchst begehrt. Die Jobs sind sicher, der Arbeitgeber gilt als weit besser als jedes Ministerium. Das System Kahrs vermied die auf Stellenausschreibungen folgende Bewerberlawine mit einem geschickten Schachzug. Die ausgeschriebene Stelle wurde unattraktiv gestaltet, als Vertretungsstelle für wenige Monate deklariert. Dafür gab es nur wenige oder einen Bewerber – aus dem Umfeld des Hamburger SPD-Abgeordneten. Im Vorstellungsgespräch ereignen sich seltsame Dinge, „wenn wie vor einigen Monaten ein Kandidat alle Fragen, und seien sie auch noch so kniffelig, wie vom Nürnberger Trichter gespeist, zu 100 Prozent beantworten kann“ (VBOB).

Hat die Person aus dem Kahrs-Umfeld die Stelle erhalten, passiert wiederum Seltsames: „Wie von Zauberhand wird die Stelle kurz vor Ablauf der Befristung entfristet. Der Haushaltsausschuß hat eine entsprechende Stelle bewilligt. Wer hätte das gedacht“, wundert sich der VBOB. 

Inzwischen wandert das Umfeld von Kahrs durch die Bundestagsverwaltung. Die im Deutschen Beamtenbund organisierte Gewerkschaft berichtet, daß zwei Personalratsmitglieder aus der Verdi-Gruppe, die mit dem VBOB in Konkurrenz steht und im Personalrat die Mehrheit hat, mit dem Kahrs-System in die Verwaltung gekommen seien. Die beiden sind sogar freigestellt, das heißt, hauptberuflich in Personalratsangelegenheiten unterwegs. „Wie werden diese beiden entscheiden, wenn es in der Personalratssitzung um die Einstellungsentscheidung pro oder contra des Wunschkandidaten ihres Abgeordneten geht, aus dessen Umfeld sie selbst stammen?“, fragt der VBOB.

Was die Gewerkschaft indes nicht schreibt: Zum System Kahrs gehört immer noch ein Mitspieler. Kahrs mag zwar die SPD-Abgeordneten im Haushaltsausschuß hinter sich haben, aber in dem Gremium braucht er eine Mehrheit für die befristeten Stellen und die folgende Entfristung. Und dafür sorgt bereitwillig der Koalitionspartner Union unter Federführung des haushaltspolitischen Sprechers Eckhardt Rehberg. Den Hamburger Kahrs verbindet mit dem aus Mecklenburg-Vorpommern stammenden Rehberg das Interesse an einer möglichst großzügigen Ausstattung der maritimen Wirtschaft – und offenbar auch an der Versorgung von Kahrs’ Günstlingen.