© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/20 / 20. März 2020

Mit Stechschritt an die Anden
Emil Körner, preußischer Mentor von Chiles Armee
Christoph Bathelt

Die Zeiten von Glanz und Gloria bei deutschen Armeen sind lange vorbei. Liebhaber von Marschmusik, Stechschritt und glänzenden Uniformen müssen heute weit reisen, und zwar bis nach Chile: Dort findet regelmäßig im September eine große Parade statt, mit blinkenden Pickelhauben, Stechschritt und blauem Waffenrock. Dieses Erbe ist einem Deutschen zu danken, der vor 100 Jahren starb: Emil Körner. 

Der 1846 geborene Berufsoffizier war Großneffe des Dichters Theodor Körner und wurde an den Kriegsschulen Hannover und Berlin zum Artillerieoffizier ausgebildet, seine Kenntnisse konnte er vor allem im Krieg gegen Frankreich 1870/71 beweisen. Offenbar erkannte man sein Talent früh, denn nach seiner weiteren Fortbildung an der Berliner Kriegsakademie schickte ihn Generalstabschef Helmuth von Moltke auf Studienreisen nach Frankreich, Italien, Spanien und Rußland und kommandierte ihn 1880 als Dozent an die Berliner Artillerie- und Ingenieurschule.

Während dieser Zeit, 1879 bis 1884, führte man auf der anderen Seite der Welt den sogenannten Salpeterkrieg zwischen Chile, Bolivien und Peru. Chile ging zwar siegreich aus diesem Konflikt hervor, erkannte aber die Notwendigkeit zur Modernisierung der Armee. Aufgrund der militärischen Leistungen 1866 und 1871, aber auch aufgrund einer starken deutschen Minderheit im Land, fiel die Wahl auf Preußen, was die sogenannte „prusianización“ der Armee einleitete. Man trat an den Hauptmann Körner heran und bot ihm nicht nur die Stelle als Oberstleutnant, sondern auch das doppelte Gehalt nebst angemessener Wohnung und Haushälterin an.

Körner ging mit Eifer an die Sache und erarbeitete neue Lehrpläne und Studiengänge; nach seiner Anregung wurde 1887 die noch heute bestehende Kriegsschule gegründet und die Wehrpflicht eingeführt. Das Exerziereglement ist ebenso in weiten Teilen nach wie vor preußisch, wie die bereits erwähnten Uniformen. Durch Körners Sachkenntnis und Netzwerke wurde zudem viel militärisches Material aus Deutschland importiert, diese Verbindung hat bis heute Bestand. Höhepunkt seiner Laufbahn war die Rolle des Generalinspekteurs und Oberbefehlshaber des Heeres von 1900 bis 1910. Danach kehrte er nach Deutschland zurück und lebte bis zu seinem Tod in Berlin. Er pflegte bis zum Schluß gute Kontakte in seine zweite Heimat und man schreibt die Neutralität des Landes im Ersten Weltkrieg auch seinem Wirken zu. Nach seinem Tod am 25. März 1920 wurde sein Leichnam nach Chile überführt und auf dem Friedhof von Santiago in einem Mausoleum beigesetzt.