© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/20 / 20. März 2020

Hollywood erlebt sein blaues Wunder
Anstatt auf den Zeitgeist haben die Produzenten des Films „Sonic the Hedgehog“ auf die Fans gehört
Tobias Albert

Wenn Multimillionäre pathetisch über soziale Gerechtigkeit und Minderheitendiskriminierung philosophieren, sind wohl wieder die Oscars verliehen worden. Auf dem hohen Roß der Bühne lebt es sich als Moralapostel besonders gut. Nun allerdings stört ein blauer Igel das philanthropische Loblied auf Vielfalt und Toleranz. Was ist geschehen?

Basierend auf der bekannten Sega-Videospielreihe „Sonic the Hedgehog“ wurde ein Film über den Titelcharakter Sonic, einen blauen Igel mit Superkräften, produziert. Sicherlich auch, um auf den Erfolgszug der Videospielverfilmung „Detektiv Pikachu“ aufzuspringen. 

Einige Journalisten protestierten

Im Mai 2019 wurden erste Szenen des Films als Appetithappen veröffentlicht, der den Fans aber gewaltig auf den Magen schlug: Die Graphiker hatten das ikonische Cartoon-Aussehen Sonics bis zur Unkenntlichkeit verzerrt und ihn zu einem grausigen Mischwesen aus Mensch und Tier entstellt. Kritik und Spott prasselten auf die Produzenten ein, die wiederum einlenkten und den Filmstart um drei Monate auf Februar 2020 verschoben, um das Aussehen des Igels nachzubessern. Im zweiten Anlauf haben sie den Geschmack der Fans getroffen, die es ihnen mit einem rekordverdächtigen Eröffnungswochenende mit 70 Millionen Dollar Einspielergebnis dankten.

Pikant sind die Reaktionen vieler englischsprachiger Journalisten auf die Entscheidung, mit einem neuen Grafikmodell den Fans entgegenzukommen. Vor einem „toxic fandom“ und Wutbürgertum einzuknicken gefährde die Freiheit der Kunst und damit die Daseinsberechtigung der Filmschaffenden. 

Mit ähnlich dramatischem Vokabular wurde bereits häufig gegen Fans gewettert, die an der erzwungenen „Diversity“ in vielen Filmen und Serien Kritik geübt hatten. Beispielsweise stieß es auf wenig Gegenliebe, in der Neuverfilmung der Ghostbusters von 2016 die Geisterjäger durch eine reine Frauentruppe zu ersetzen, oder der schwarzen Schauspielerin Lashana Lynch den Codenamen 007 von James Bond zu verleihen. Auch die auf Klassikern beruhenden Serien „Das Boot“ bei Sky und dem ZDF (JF 3/20) oder „Wir sind die Welle“ bei Netflix (JF 47/19) wurden von Zuschauern im Internet teilweise scharf kritisiert. Was von linken Journalisten als mutig und fortschrittlich gefeiert wurde, sorgte bei eingefleischten Fans der Filmreihen für Verwunderung und Entfremdung von ihren Lieblingsfilmen. 

Es gibt zwei Gründe, weshalb Produzenten häufig versuchen, die vorderste Front der „Social Justice Warrior“ (JF 15/18) zu bilden. Einerseits ist es ein natürliches Bedürfnis der Bühnenmenschen, nach Ruhm und Beifall zu streben, den der Durchschnittszuschauer natürlich nicht so reichweitenstark artikulieren kann wie ein gut vernetzter Journalist. Um so besser, wenn man statt wirklicher Taten zu vollbringen nur die richtigen Zeichen setzen muß. Das dachte sich wohl auch Natalie Portman, als sie bei der Oscarverleihung einen Umhang mit den Namen vieler weiblicher Regisseure trug, die nicht für den Oscar nominiert waren. Daß Portmans eigene Produktionsfirma bisher nur eine einzige Frau als Regisseurin angestellt hatte, wäre vom jubelnden Beifall der Presse fast übertönt worden. 

Der zweite Grund ist jedoch deutlich gewitzter: „Soziale Gerechtigkeit“ immunisiert gegen Kritik. Das beste Beispiel liefert der Film „Star Wars: The Last Jedi“, der für viele Aspekte zu Recht kritisiert wurde. Ein verwirrendes Drehbuch mit unnötigen Nebenhandlungen, antiklimaktische Höhepunkte und eine demütigende Rolle für Fanliebling Luke Skywalker trübten die Laune der treuesten Fans. Aber die Produzenten behaupteten kurzerhand, all diese Kritiker seien frustrierte weiße Männer, die nicht akzeptieren könnten, daß „Star Wars“ nun eine Frau als Hauptdarstellerin hat. Anstatt auf Kritik zu reagieren, wird sie einfach delegitimiert. 

„Wer links wird, geht pleite“

Natürlich lassen es sich viele Fans nicht gefallen, wenn die geliebte Filmreihe oder Serie von linken Ideologen gekapert wird. Die Produzenten verstehen nicht, daß Filme eben keine politische Erziehung sind, sondern im Gegenteil als Ausflucht von Politik und Realität dienen sollen. Sinkende Zuschauerzahlen und Einnahmen sind die logische Folge. „Get woke, go broke“, was soviel wie „wer links wird, geht pleite“ bedeutet, verbreitet sich im Internet, um solche Medienkonzerne zu verspotten, aber auch zu warnen.

„Sonic the Hedgehog“ war in dieser Hinsicht ein Dammbruch. Zwar ohne politischen Subtext, doch die Produzenten haben auf die Kritik der Anhänger reagiert und wurden mit einem finanziellen Erfolg belohnt. Youtuber wie der US-Amerikaner „The Quartering“ riefen dazu auf, diesen Respekt gegenüber den Fans zu honorieren und ins Kino zu gehen, um der „Get woke, go broke“-Fraktion Hollywoods die einfachste Regel des freien Marktes ins Gedächtnis zu rufen: Nur wer mit seinen Produkten den Geschmack der Kunden trifft, wird Erfolg haben.