© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/20 / 27. März 2020

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Corona, Corona, Corona – auch im persönlichen Lebensumfeld gibt es kaum ein anderes Gesprächsthema. „Ganze Geschäft kaputt“, klagt mein türkischer Herrenfriseur vergangenen Freitag. „Sie sind heute erst der dritte Kunde“, erzählt er weiter, gestern um diese Zeit, es ist 13.30 Uhr, habe er schon dichtgemacht. Seit Montag dieser Woche nun darf auch der Barbier wie alle anderen laut einer Verordnung des Berliner Senats zur Eindämmung des Coronavirus seinen Betrieb (zunächst) bis zum 19. April nicht mehr öffnen. Und ich kann nur hoffen und ihm wünschen, daß er die Zwangspause wirtschaftlich übersteht.

Lesefundstück der Woche aus einem Interview von Alexander Saldastanow (57), Chef des russischen Motorrad- und Rockerclubs „Nachtwölfe“, mit der Monatszeitschrift Biker News (April-Ausgabe): „Wir haben uns von Anarchisten in glühende Verehrer des Staates verwandelt. Danke, daß Gott uns einen würdigen Präsidenten (gemeint ist Wladimir Putin, Anmerkung Th.) gab, wie er schon lange nicht mehr da war – seit Stalin.“

Im Briefkasten liegt die Vorschau der Deutschen Oper Berlin auf die Spielzeit 2020/21. Darin wird unter anderem mit mehreren Beiträgen die neueste Großproduktion von Richard Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ vorgestellt, inszeniert von dem Norweger Stefan Herheim (50). Sie löst die legendäre Tunnel-Interpretation von Götz Friedrich ab. Herheims „Ring“ beginnt dieses Jahr im Juni mit der „Rheingold“-Premiere und erstreckt sich bis zur „Götterdämmerung“ im Oktober 2021. Die ersten beiden kompletten Zyklus-Aufführungen sind dann für Mitte November nächsten Jahres vorgesehen. Für Tradionalisten lassen die Vorabinformationen allerdings nichts Gutes erwarten. In einem Doppelinterview mit Regisseur Herheim und dem Generalmusikdirektor der Deutschen Oper, Donald Runnicles, ist gleich zu Anfang auf die Frage, was uns Wagners „Ring“ heute noch zu sagen habe, die Rede von Klimawandel und Flüchtlingskrise. Herheim: „Auch Flucht ist ein großes Thema. In vielen seiner Figuren erkennen wir Wagner, der lange selbst ein politischer Flüchtling war (…)“. Herrje! Richard Wagner ging während des Dresdner Maiaufstandes 1849 für eine demokratische Republik und bürgerliche Grundrechte auf die Barrikaden und mußte sich nach dessen Niederschlagung in die Schweiz absetzen. Was das mit der heutigen Massenzuwanderung Kulturfremder zu tun haben soll, verstehe wer will.