© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/20 / 27. März 2020

Messerscharfer Grandseigneur
Journalismus: Ein Nachruf auf Herbert Kremp
Jürgen Liminski

Wir trafen uns das erste Mal in Madrid, 1974. Er hielt einen Vortrag vor 150 Professoren und Studenten, meist aus den damaligen Fakultäten und Instituten der Publizistik. Der Auftrieb war gewaltig. Da kam ein liberal und konservativ denkender Intellektueller, Chefredakteur der damals noch auflagenstarken, auch international renommierten Tageszeitung Die Welt, und sagte gleich zu Beginn des Vortrags: „In meinem Vaterland herrscht das interessante Prinzip, daß eine Zeitung sich nicht selber beurteilen solle. Das ist dienlich zur Einhegung der Eitelkeit, die im Journalismus wirkmächtiger ist als in jedem anderen Beruf.“ 

Bis zuletzt war er Springer verbunden

Herbert Kremp, Historiker, Philosoph, Staatsrechtler, war ein Grandseigneur des Journalismus. Er kannte Stärken und Schwächen dieses Berufs, auch des Hauses Springer, dem er bis zum Ende verbunden blieb. Einmal, als Axel Springer die Welt an die FAZ verkaufen wollte und vor der Unterschrift unter den fertigen Vertrag noch den Chefredakteur konsultierte, sagt Kremp zu seinem Verleger: „Mit Ihrem Zug auf diesem Papier sind Sie der Burda des Nordens.“ Damals gab es keinen Focus, nur die Bunte und Strickmoden. Springer, ein homo politicus, erschrak – und zerriß den Vertrag.

Ein andermal, er lebte schon zurückgezogen in seinem Haus am Niederrhein, wehrte er sich gegen die späte Behauptung in der Welt, man habe 1989 leichtfertig die Anführungszeichen bei der Bezeichnung DDR fallenlassen. Das geschah damals unter seiner Führung, weil klar war, wie er dem Autor sagte, „daß wir einem Staatstod beiwohnten und wir aber nur darüber authentisch berichten konnten, wenn wir einen Korrespondenten dort akkreditieren würden. Die Gänsefüßchen waren der Preis des moribunden Regimes.“ 

Kremp war geprägt von kulturhistorischen Analysen, etwa eines Arnold Toynbee. Er betrachtete die Völker und Nationen immer auch unter dem Gesichtspunkt ihrer Mentalitäten. Das kam ihm bei seinem vierjährigen Aufenthalt in China im nahezu vertrauten Umgang mit Deng Xiaoping und hochrangigen Diplomaten zugute.

Auch als Buchautor schärfte Kremp die Messer des Geistes. Sein Spätwerk über die Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs, in dem er sich auf Augenzeugen und nicht veröffentlichtes Material stützt, ist eigentlich abgeschlossen. Es wird, es muß nun posthum erscheinen. Herbert Kremp starb vergangenen Samstag im Alter von 91 Jahren.