© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/20 / 27. März 2020

Merkel Top, „Populisten“ Flop
Coronavirus: Nach Verharmlosung und Diffamierung folgt nun der Lobgesang auf die Bundesregierung
Ronald Berthold

Das Muster der alles dominierenden Berichterstattung über die Corona-Pandemie ist auffallend gleich: Die Arbeit der Bundesregierung wird – wie schon bei der Flüchtlingspolitik – gelobt. Gleichzeitig geraten US-Präsident Donald Trump und „Populisten“ ins Visier der Journalisten. Die deutsche Politik revanchiert sich und erklärt diese zumindest in Nordrhein-Westfalen für „systemrelevant“.

Alles begann Ende Januar mit einer Verharmlosungskampagne. Politik und Medien sekundierten sich gegenseitig dabei, die anrollende Infektionswelle klein zu reden. „Gefahr durch Coronavirus für Deutschland ‘sehr gering’“, titelte beispielsweise sueddeutsche.de am 22. Januar unter Berufung auf einen Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Menschen, die das Virus seinerzeit für gefährlicher hielten, wurden verunglimpft. Der Bayerische Rundfunk (BR) behauptete in seiner Sendung „quer“ vom 30. Januar, im Internet würden Rechte die „Verschwörungstheorie“ verbreiten, das Virus sei hochansteckend. „Zweck dieser Angstmache ist Destabilisierung. Die Bevölkerung soll verunsichert werden, was das Vertrauen in den Staat und dessen Glaubwürdigkeit erschüttern soll.“ Corona sei für sie ein willkommener Anlaß, „Grenzschließungen zu fordern“.

Inzwischen hat der BR das Video aus der Mediathek gelöscht. Zu offenbar war, wie richtig die diffamierten „Menschen aus dem rechten Spektrum“ lagen und wie falsch man selbst. Die Begründung ist indes genauso peinlich wie der entfernte Beitrag. Darin bezeichnet der Sender die Mahner, die die heutige Situation vorhersagten, weiter als „rechte Trolle“.

Jens Spahn, „Der Macher“

Diese Masche läuft weiter. Die Welt behauptete kürzlich, daß „der Kreml und rechte Populisten jetzt Fehlinformationen streuen“. In einem Text ohne wirkliche Belege wird vor allem auf den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Wodarg Bezug genommen, der sagt, Corona sei nicht gefährlicher als die Grippe. Als „rechts“ gilt die Auffassung, weil der Sozialdemokrat genau das, was bis vor kurzem Mainstream war, auch in einem Interview mit Ex-„Tagesschau“-Sprecherin Eva Herman tat. Der Artikel konstruiert dann auf krude Weise eine Beteiligung der AfD: Die „Wissensmanufaktur“, die das Herman-Wodarg-Gespräch veröffentlichte, habe einst gelobt, daß erst durch die Partei über den UN-Migrationspakt diskutiert worden sei.

Symptomatisch für das Bündnis von Medien und Politik steht auch die Überschrift eines Artikels auf tagesschau.de: „Es läuft alles nach Drehbuch“. Nun könnte es sein, daß die Bundesregierung tatsächlich alles richtig macht. Aber ist das so? Daß selbst nach den „verschärften Grenzkontrollen“ ganze Flugzeugladungen Iraner und Chinesen ohne jeden Gesundheits-Check an deutschen Flughäfen aussteigen und sich im Land verteilen konnten, war den meisten Zeitungen keine Zeile wert. Anderes Beispiel: Als Innenminister Horst Seehofer auf der Bundespressekonferenz Einreiseverbote an mehreren deutschen Grenzen verkündete, stellte kein Journalist die naheliegendste Frage. Nämlich, ob davon auch Migranten betroffen sind.

Die JF fragte beim Bundesinnenministerium nach und erfuhr, daß die Einreisebeschränkungen aufgrund der Corona-Krise nicht für Asylbewerber gelten. Lediglich bei der Welt fand sich ein kleiner Absatz, daß Migranten „also weiter eingelassen werden“. Erst fehlte die wichtige Meldung, dann die Kritik an der Inkonsequenz. Stattdessen spielen sich deutsche Medien als vierte Gewalt in den USA auf: Präsident Donald Trump mache alles falsch. Nicht berichtet wurde, daß er als erster nach dem Ausbruch des Virus den chinesischen Fluglinien die Landeerlaubnis entzogen hatte.

Groß war die Empörung, als er auch gegen die schwer von der Pandemie betroffene EU einen Einreisestopp verhängte. Wohlwollend wurde Vizekanzler Olaf Scholz zitiert: „Grenzen sind nicht geeignet, das Virus fernzuhalten.“ Es folgte die kritiklos übernommene Rassismus-Karte: Trump wolle Corona so bekämpfen, „wie irgendwelche Leute, die eine andere als die US-Staatsbürgerschaft haben“.

Prompt titelte die Süddeutsche Zeitung: „Die Corona-Krise entzaubert die Populisten“. Italiens Lega-Chef Matteo Salvini, wurde zum „Möchtegern-Duce“, Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro zum „rechten Regenwaldschänder“ und der britische Premier Boris Johnson zum „Quacksalber“. Die SZ-Lichtgestalt: Frankreichs Präsident Macron, der dem Virus „mit Haltung und demokratischem Selbstbewußtsein“ begegne. Daß es tatsächlich Macron war, der gerade erst bei den Regionalwahlen mit einer Erdrutsch-Niederlage „entzaubert“ wurde, erfuhr der Leser nicht.

Als zwei Tage nach Trump EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ein Landeverbot verhängte, galt dies deutschen Medien als richtiger und besonnener Schritt. Noch kurz zuvor – Bundeskanzlerin Merkel wehrte sich da heftig gegen Grenzschließungen – bezeichnete der BR diese in Merkels Sinne als „Desaster“. Und im ZDF-„heute journal“ verkündete Virologe Martin Stürmer noch am 14. März, „daß es zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr sinnvoll ist, die Grenzen zu schließen, weil vermutlich schon sehr viele Infizierte die Grenze überschritten haben“.

Sender und Verlage selbst betroffen

Die Fernsehansprache der Kanzlerin feierte die Welt mit der Schlagzeile „Merkel wirkt“. Der MDR ernannte sie zum „fürsorglichen Familienoberhaupt“ und forderte gar, wie in den USA über sie „einen Blockbuster zu drehen“. Man wisse nicht, „wie es nach 2021 eigentlich ohne Mutti Merkel gehen“ solle. Bild-Chefredakteur Julian Reichelt scherte indes aus dem Jubel-Kanon aus. Er kritisierte, die Menschen brauchten „keine Appelle mehr, sie brauchen Antworten auf grundlegende Fragen, die nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch ihr wirtschaftliches Überleben betreffen!“ Auch listete er, nachdem seine Zeitung tagelang Lobeshymnen auf Merkel („So geht Führung“) und Spahn („Der Macher“) veröffentlicht hatte, „Fahrlässigkeiten“ der Regierung auf. 

Springer-Chef Mathias Döpfner äußerte in einem differenzierten Welt-Beitrag „Zweifel“ an der „fast unbeschränkten Macht“ der Experten vom Robert-Koch-Institut und von der Charité und betonte angesichts der drastischen Maßnahmen seine Sorgen um die Wirtschaft und „um unsere freiheitliche, rechtsstaatliche, offene Gesellschaft“.

Derweil hat das Virus auch Folgen für die Arbeit der Medien. Teile von ARD, ZDF, RTL, dpa und Spiegel sind ins Homeoffice gezogen. Die Funke-Mediengruppe, Bertelsmann und der Springer-Verlag denken über die Einführung von Kurzarbeit nach. Die Ostsee-Zeitung warnte ihre Leser sogar vor, die gedruckte Ausgabe womöglich nicht mehr garantieren zu können. Gleichzeitig versuchen viele Medien angesichts des großen Nachrichteninteresses von dem gestiegenen Klickaufkommen zu profitieren und bauen Sonderformate auf. So produziert das Redaktionsnetzwerk Deutschland den Podcast „Corona und wir“ und die Hamburger Morgenpost das tägliche Audioangebot „Leben mit Corona“. Ein vielfach im Netz geäußerter Kritikpunkt allerdings: Zuviele Inhalte mit wichtigen Corona-Informationen landen hinter den Online-Bezahlschranken der Zeitungen. Bei der ARD geht es ausnahmsweise etwas sparsamer zu: Aufgrund personeller Engpässe hat sie für den Hörfunk eine Übernahme von Programminhalten beschlossen. Nicht mehr jede Sendeanstalt verfaßt einen eigenen Beitrag über dasselbe Thema. Zudem streichen der NDR das Medienmagazin „Zapp“, der WDR die Comedy-Sendung „Dittsche“ und der RBB das „Heimatjournal“ sowie die „Abendshow“ vorübergehend aus dem Programm.

Vor sechs Wochen noch galt der ARD die Tatsache, das Coronavirus sei „hochansteckend“ und der damalige Satz „Alles ist viel schlimmer als die Regierung zugibt“ als Fake News. Die Kanzlerin betonte, man dürfe nur offiziellen Quellen glauben. Diesen Anspruch erfüllen nun Internetkonzerne. Sie wollen verstärkt Corona-„Falschinformationen“ löschen. Facebook, Twitter und Google wollen dazu gezielt ihre künstliche Intelligenz ausbauen. Facebook stellt zudem eine Million Dollar für eine Faktenchecker-Kooperationen bereit. Darüber hinaus hat Google seine Treffer zur Suche nach „Corona“ so verändert, daß die erste Seite nur noch Links zum Gesundheitsministerium, zur WHO und zur „Tagesschau“ anzeigt. Wie Google schenkt auch Youtube der Bundesregierung Anzeigenplätze zur „Aufklärung“. Wer dort nach dem Wodarg-Video sucht, erhält als erstes einen Selfie-Film des SPD-Politikers Karl Lauterbach, der dieses als „Fake News“ bezeichnet.