© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/20 / 27. März 2020

Vom Völkerbund zur Allianz für den Multilateralismus
Deutschlands gütige Erzieher
(ob)

Mit der Aufnahme Deutschlands in den Genfer Völkerbund und der Zuerkennung eines ständigen Ratssitzes (1926) habe die „Reintegration der deutschen Demokratie in die Staatenwelt“ stattgefunden. Eine Deutung des Berliner Historikers Joachim Wintzer, die sich einfügt in Heinrich-August Winklers Großerzählung von der politischen „Zivilisierung“ der Deutschen auf dem „Weg nach Westen“. Den sie für Wintzer erfolgreich zurückgelegt hätten, da die Bundesrepublik heute ein positives Verhältnis zu internationalen Organisationen pflege, Angela Merkel als „Führerin des ‘freien Westens’“ gelte und Mitbegründerin der „Allianz für den Multilateralismus“ sei (Vereinte Nationen, 6/2019). Aber auch Wintzer muß im Rückblick auf die Zwischenkriegszeit zugestehen, daß der Völkerbund als Vorläufer der Uno von den Entente-Siegermächten 1919 aus der Taufe gehoben wurde, die das Deutsche Reich nicht „zivilisieren“, sondern in klassischer machtpolitischer Manier schurigeln wollten. So habe Frankreich den Völkerbund starrsinnig als Instrument zur Durchsetzung der Entwaffnung des Reiches mißbraucht, selbst aber die Reduktion der eigenen Streitkräfte verweigert, um seine Hegemonie über Mitteleuropa nicht preiszugeben. Trotz dieser destruktiven Haltung, meint Wintzer, habe nur Hitlers Völkerbundaustritt 1933 die „konstruktive Mitgliedschaft“ beendet. 


 https://zeitschrift-vereinte-nationen.de