© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/20 / 27. März 2020

Hinrichtungs-Hymnen
CDU-Presse im „echten Norden“ auf Antifakurs
Dirk Glaser

Die öffentliche Reaktion auf die – flugs „rückgängig“ gemachte – Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten Thüringens zeugte eindrucksvoll von der Nachhaltigkeit der 68er-„Reformen“ des Geschichtsunterrichts. Wurde doch bar jedes Gefühls für historische Unterschiede Thüringens Landespolitik vor und nach 1933 zur Folie aktueller Geisterbeschwörung. 

Da deutete der ZDF-Grande Peter Frey bereits „1924“, als Völkische einer bürgerlichen Koalition in den Sattel halfen, zum Menetekel für 2020 um. Viele Kollegen Freys phantasierten eine Wiederholung von 1930 herbei, als die NSDAP kurzzeitig in Thüringen mitregierte. Bodo Ramelows Staatskanzleichef wußte gar, daß Kemmerich ein Regierungschef „von Gnaden“ derer, also wohl der AfD sei, „die Millionen in Buchenwald und anderswo ermordet haben“. Und diese kakophonische „Allesdurcheinanderverbringung“ (Eckhard Henscheid) brach selbst das Tabu, den Begriff „Zivilisationsbruch“ für nichts anderes als für die Shoa zu verwenden.

Daß siebzig Jahre „Vergangenheitsbewältigung“ historisches Bewußtsein noch im Kapillarsystem der Lokalpresse zersetzte, dürfte eine Analyse des Medienechos auf Thüringens Wahlfarce leicht erweisen. Und zudem belegen, wie es ungenügendes Geschichtswissen Journalisten erleichtert, dem totalitären Weltbild des „Antifaschismus“ zu huldigen. Wie einem insoweit idealtypischen Kommentar Christian Brameshubers zu entnehmen ist. Enthemmt bejubelte dieser vom publizistischen Kriegsgeheul zu Erfurt aufgeputschte Redakteur des CDU-nahen Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags den „Rauswurf“ eines sich zum AfD-„Flügel“ zählenden Azubis aus dem Elmshorner Turnverein (Schleswiger Nachrichten vom 14. Februar 2020). Sein Ton erinnert dabei durchaus an jene „Hinrichtungshymne“ (Der Spiegel 1987), mit der 1943 der spätere „Frühschoppen“-Gastgeber Werner Höfer Freislers Todesurteil gegen den „wehrkraftzersetzenden“ Pianisten Karl Robert Kreiten quittierte.

Der Geschaßte sei selbst schuld an seiner Entlassung. Denn sein „Faschismus“ sei „keine Meinung, sondern ein Verbrechen“. Plappert das geschichtsblinde Nordlicht den heute so beliebten, vor („Sozialfaschisten“) und nach („Schumacher-Leute“) der nationasozialistischen Herrrschaft vor allem gegen die SPD gemünzten, sowie auf Trotzkisten und andere „Linksfaschisten“ (Jürgen Habermas) zielenden Agitprop-Vers nach, den die nach der Pfeife des Massenmörders Josef Stalin tanzende Weimarer KPD kreierte.