© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/20 / 03. April 2020

Harald Lesch. Der Wutwissenschaftler erklärt uns in der Corona-Krise mal wieder die Welt.
Der Besserwisser
Tobias Albert

Er kann Corona auch Gutes abgewinnen: „Ich bin so froh, daß wir den Maulhelden und Wissenschaftsverächtern die kalte Schulter zeigen, sie ignorieren!“ So feiert Harald Lesch, daß, seit das Virus umgeht, die Leute wieder an den Lippen der Forscher hängen. Tage des Triumphs für den ebenso blitzgescheiten wie ewig gekränkten „populärsten Welterklärer der Deutschen“ (Deutschlandfunk) in Sachen Naturwissenschaft – der Focus rief ihn gar zur „Legende“ aus. 

Unbestreitbar, daß der 1960 in Gießen geborene Sohn eines Elektrikers sich seinen Erfolg redlich verdient hat. 1995 erhielt der Physiker und Philosoph eine Professur in München. Was für andere Höhepunkt der Karriere ist, war für Lesch nur Anfang: Drei Jahre später gelang der Durchbruch als Moderator von „Alpha-Centauri“ im Bayerischen Fernsehen, wo er spannende Phänomene aus Physik und Astronomie präsentierte, die er dank seiner Fähigkeit, anschaulich zu erklären, beinah jedermann begreiflich machen kann. Volksnah und verständlich zu reden hatte der junge Lesch in der Kneipe seiner Großeltern und auf der Bühne eines Laientheaters gelernt. Er bannt das Publikum durch aufbrausende Mimik und Gestik, mit der er seine Faszination für Wissenschaft ansteckend auslebt und zur Marke wurde. 

Mittlerweile ist er Moderator etlicher Formate in Internet und Fernsehen, wie „Terra X“, Sonntag abend zur besten Sendezeit, oder des ZDF-Flaggschiffs in Sachen Wissenschaft „Abenteuer Forschung“, längst nach ihm umbenannt in „Leschs Kosmos“ – womit er von der Marke zur Instanz geworden ist.

Und auch sonst genießt der „Hochschullehrer des Jahres 2012“ Aufmerksamkeit, sobald er spricht, auch wenn er sich weit von seinem Steckenpferd, der Astrophysik, entfernt. Lesch kritisiert die Abschaffung des klassischen deutschen Hochschulsystems, deren fatale Folgen er als Uni-Dozent erlebe. 

Zu Hochform läuft er bei Umwelt- und Klimaschutz auf sowie im Kampf gegen „Fake News“ – vorausgesetzt sie kommen von „rechts“. Etwa indem er Positionen Trumps oder der AfD zerpflückt, aber auch sogenannter „Flacherdler“ oder jener, die in Sachen Klima beziehungsweise aktuell Corona andere Ansichten haben (wie der jüngst bekannt gewordene Lungenarzt Wolfgang Wodarg), deren Fachkompetenz formal allerdings gleichgroß, wenn nicht größer ist.

Natürlich „zerpflückt“ der „Grüne Taliban“ und „Erdkugelfaschist“ (gerne beschreibt Lesch sich mit Worten seiner Gegner) oft zu Recht. Doch die Art, wie er es tut, verrät unterdrückten Furor: Hier falsifiziert nicht der kühle Forscher – wie sein legendärer ZDF-Vorgänger Joachim Bublath einst –, hier verdammt der Missionar. Lesch ahnt es selbst, wenn er witzelt, „da platzt mir der Lynchknoten!“ und kann doch nicht aus seiner Haut. So schrumpft der Welterklärer zum „Wutwissenschaftler“ und Besserwisser, selbst wenn er recht hat.