© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/20 / 03. April 2020

Urteil der Woche
Das Auge prüft mit
Christian Vollradt

Weniger Punkte wegen Punkten? Das darf nicht sein. Zu diesem dieser Tage veröffentlichten Urteil kam das Verwaltungsgericht Berlin. Aber der Reihe nach. Eine Studentin hatte gegen ihre Hochschule geklagt, da sie nicht mit der Benotung ihrer Abschlußprüfung einverstanden war. Die Absolventin des Masterstudiengangs „Recht für die Öffentliche Verwaltung“ hatte mündlich die Note 1,7 bekommen. Eingerechnet darin war ein Punktabzug in der Kategorie „Präsentationsweise“, denn der Kleidungsstil der Klägerin habe „eher einem Alltagsoutfit (u.a. Jeans, Oberteil mit Punkten)“ entsprochen. Nach Meinung der Prüfer hätte sich die Studentin lieber mit einer „weißen Leinenhose und Black Shirt mit Ethnokette oder einem lieblichen oder auch strengen Blouson“, wahlweise auch mit einem „Top mit elegantem Kurzjackett“ kleiden sollen. Hätte, hätte, Ethnokette, befanden die Richter und wiesen die Hochschule an, die Prüfung der Klägerin mit der Note 1,3 zu bewerten. Zwar könne die Wahl der Kleidung grundsätzlich bewertet werden, aber nur mit Bezug zum Prüfungsgegenstand. Etwa bei Modedesign oder der Feuerwehr (Sicherheitskleidung). Da zum Zeitpunkt des Examens Außentemperaturen von 35 Grad herrschten, kann man vielleicht sogar vom Glück reden, daß die – gendersensibel – Geprüftwerdende überhaupt etwas anhatte. Punkt.