© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/20 / 03. April 2020

Grüße aus Brüssel
Es lebe die Frittenbude
Albrecht Rothacher

Es war in Belgien das Übliche. Zuerst Schlamperei, Italien- oder China-Rückkehrer wurden unkontrolliert ins Land gelassen, gefolgt nach vier Wochen von einer hysterischen Überreaktion der Politik. Als Europa-Hauptstadt ist Brüssel besonders gefährdet. Täglich Hunderte von Dauersitzungen und Konferenzen mit Leuten aus 27 Ländern und dem Rest der Welt. Natürlich erwischte es auch die EU-Institutionen. 

Am gefährdetsten ist das Parlament. Die Abgeordneten sind non-stop auf Achse, grüßen ihre Wähler und Parteigenossen per Handschlag und per Bussi, sind stets in Sitzungen und eigentlich nie allein. Das EP wurde kurz mal von Straßburg nach Brüssel verlegt und ist seither mehr oder minder geschlossen. Das passierte auch mit der EU-Kommission und den Europäischen Schulen. Heimarbeit am PC ist jetzt angesagt, sehr lustig mit den rastlosen lieben Kleinen im Hausarrest.

Oder stecken am Ende die Rentenversicherungen und die Pharma-industrie dahinter?

Die Belgier schlossen dann auf Teufel komm raus. Alle Fachgeschäfte wurden übers Wochenende geschlossen. Auch alle Zeitungskioske mußten dichtmachen. Die Wochenendblätter kamen alle ungelesen ins Altpapier. Offen bleiben durften nur Apotheken, Wochen- und Supermärkte, und das Nationalheiligtum: Frittenbuden. Derweil drängen sich die Massen bei ihren Hamsterkäufen an den Kassen, so als stünde der nächste Weltkrieg bevor. Wer soll das Zeug jemals essen und verbrauchen?

Ein paar Nachbarn treffen sich. Einer meint, Amazon habe den Virus in die Welt gesetzt, um den Einzelhandel und die Gastronomie zu ruinieren. Ein anderer hält dagegen, es sei Alibaba und ein chinesisches Komplott, um die Weltwirtschaft erst zu zerstören und dann zu übernehmen. Ein dritter witzelt: Ihn habe Greta in ihrem Kinderzimmer gebastelt und dann weltweit bei Klimakonferenzen verteilt. Oder waren am Ende die Rentenversicherungen und die Pharmaindustrie dahinter? Ohne Zeitungen blühen die Verschwörungstheorien.

Was tun? Zum Aktienverkauf ist es zu spät. Händewaschen und in der halbleeren Metro ab ins Büro. Gähnende Leere auf den stillen Gängen, keine Sitzungen, Telefonate, dringende Mails. Wie im August, nur weniger lustig. Ungestört kann man endlich an einem Buchskript weiterschreiben. Was aber, wenn der Stillstand anhält? Dann hätten nicht nur die Belgier eine brutale Rezession und es wäre Schluß mit lustig nach den vergangenen fetten zehn Wohlfühljahren.