© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/20 / 03. April 2020

„Ein Feldmarschall ergibt sich nicht“
Weder ein „Lakeitel“ noch ein NS-Widerständler: Vor 75 Jahren erschoß sich der Armeeführer Walter Model
Andreas-Renatus Hartmann

Ich glaube aufrichtig, daß ich einem Kriminellen gedient habe. Ich habe meine Soldaten mit gutem Gewissen geführt – aber für eine verbrecherische Regierung.“ So überliefert der amerikanische Militärhistoriker Derek S. Zumbro die letzten Worte von Generalfeldmarschall Walter Model am 20. April 1945. 

Wenige Tage zuvor hatte Model seine im Ruhrkessel (JF 14/20) von den US-Amerikanern eingeschlossene Heeresgruppe B unter Mißachtung des Durchhaltebefehls Hitlers aufgelöst, seinen Stabschef General Carl Wagener verabschiedet und ihn gebeten, dem amerikanischen General Matthew B. Ridgway auszurichten, daß er sich nicht imstande sehe zu kapitulieren, da er dies nicht mit seinem Fahneneid vereinbaren könne. „Ein Feldmarschall“, so hatte er sich bereits nach der Kapitulation von Generalfeldmarschall Friedrich Paulus in Stalingrad seinem Sohn gegenüber geäußert, „geht nicht in Gefangenschaft.“ So etwas gibt es ganz einfach nicht.“ 

Nach einem letzten plan- und ziellosen Herumirren im Ruhrkessel und dem Ausstoßen mehrerer irrsinniger Tagesbefehle, deren ungewohnte Diktion nichts mehr mit einer klaren militärischen Lageanalyse zu tun hatte und eher den verwirrten inneren Zustand des Verfassers widerspiegelt, hielt Model am 21. April 1945 in einem Waldgebiet nördlich von Düsseldorf, zog seine Pistole, entsicherte sie und schoß sich eine Kugel in den Kopf.

Militärische Leistungen waren allgemein anerkannt 

In der Militärgeschichte hat Generalfeldmarschall Model trotz seines vorbildlichen soldatischen Ethos nicht immer den ihm gebührenden Platz unter den deutschen Heerführern erhalten. Zwar werden seine herausragenden militärischen Leistungen, und hier insbesondere die Abwehrerfolge gegen die Rote Armee im Osten, sowie die Stabilisierung der Front nach der Landung der Allierten im Westen, die ihm den Beinamen „Meister der Defensive“ einbrachten, uneingeschränkt anerkannt. Ebenso wird eingeräumt, daß „Hitlers Feuerwehrmann“ in operativen Fragen seinem obersten Befehlshaber aktiver und erfolgreicher widersprach als alle anderen Heerführer. „Mein Führer, befehligen Sie die 9. Armee oder ich?“ herrschte Model Hitler an, nachdem diesem ihm für seinen Geschmack zu detaillierte Anweisungen gab. Auch die Führungsmethoden des Feldmarschalls, der seine Truppen von vorne führte und, ohne sich zu schonen, das Schicksal seiner Soldaten in vorderster Front teilte, werden in der Regel umfassend gewürdigt.

Doch meistens überwiegen in der Beurteilung Models die Schattenseiten des Feldmarschalls, oder zumindest das, was die jeweiligen Autoren dafür halten. Ausgangspunkt für diese überwiegend negative Beurteilung Models sind die Kriegserinnerungen, die manche seiner ehemaligen Kameraden geschrieben haben und in denen Model als Soldat, aber auch als Mensch nicht immer gut wegkommt. 

Zweifelsohne hat Model zu seiner schlechten Presse einiges selbst beigetragen. Hat er sich doch mit seinem bekannt rauhen und manchmal sogar beleidigenden Umgangston viele Gegner in den eigenen Reihen geschaffen. Bei von Manstein, der in seinen Erinnerungen „Verlorene Siege“ Model unterstellt, an die natioalsozialistische Ideologie geglaubt und die Spitzen des Regimes hofiert zu haben, kommt als weiteres Element für die negative Darstellung Models hinzu, daß Manstein wahrscheinlich den kometenhaften Aufstieg Models und vor allem seine Ablösung durch Model im Frühjahr 1944, mit der seine Träume von der Stellung eines Oberbefehlshabers Ost zunichte wurden, nie ganz überwunden hatte. 

Das ist zumindest die Meinung des israelischen Militärhistorikers Marcel Stein, der in seiner Biographie „Generalfeldmarschall Walter Model – Legende und Wirklichkeit“ (2001) nach eingehender Überprüfung der Literatur über die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes, einschließlich der Judenvernichtung, zu dem Ergebnis kommt, „daß der Name Model zu den wenigen deutschen Heerführern zählt, die in diesen Werken keine Erwähnung finden und daß er auch in den Schriften, die sich mit anderen schweren Verbrechen wie dem Kommissarbefehl befassen, nicht auftaucht“.

Die Dokumentenlage ist allerdings genauso eindeutig, was die Stellung des Generalfeldmarschalls zum 20. Juli anbetrifft: Model war an der Widerstandsbewegung nicht beteiligt und mißbilligte diese. Aus seiner Sicht hatte sich der Soldat aus der Politik herauszuhalten. Eine Gewaltaktion gegen die politische Führung, noch dazu in Kriegszeiten, war für ihn völlig undenkbar.

Mit seinen Licht- und Schattenseiten war Generalfeldmarschall Modell ein typischer Vertreter des deutschen Generalstabs. Dessen völlig apolitische Ausrichtung schützte ihn zwar vor einer ideologischen Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten, machten ihn allerdings auch zum willfährigen Werkzeug. Es gehört zu der Tragik dieses außergewöhnlich begabten und einem hohen soldatischen Ethos verpflichteten Heerführers, daß er den verbrecherischen Charakter des Regimes erst dann erkannte, als es zu spät war.