© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/20 / 03. April 2020

Fairer Handel zähmt den Kapitalismus nicht
Vom Nischen- zum Massenmarkt
(ob)

In 1970ern waren Idee und Praxis des „Fairen Handels“ in Deutschland in der evangelischen und katholischen Kirche sowie in  deren Hilfswerken verankert. Neben Motiven der Nächstenliebe und der Armutsreduktion in der „Dritten Welt“ betonten die Organisatoren dabei einen entwicklungspolitischen Bildungsanspruch. Bei Konsumenten „fair gehandelter“ Produkte sollte ein „Bewußtseinswandel“ angestoßen werden, der ihnen zu Einsichten über die „Ungerechtigkeit“ der Welthandelsstruktur verhelfen und sie zur Solidarisierung mit den zahlreichen „Befreiungsbewegungen“ in den Erzeugerländern ermuntern sollte. Diese „Solidaritätsphase“ endete 1990 mit dem Wegfall der Ost-West-Konfrontation, als Umsatzeinbußen die elitären „Fair Händler“ zwang, jenseits ihrer „Weltläden“ in Reformhäusern und bei Discountern einen Nischenmarkt zu eröffnen (Geographische Rundschau, 1–2/2020). Mit der Idee der Produkt-Zertifizierung und der Einführung des Fairtrade-Siegels (2006) wurde in der dritten Phase dann der Massenmarkt erobert; die Produktvielfalt und ihre Verfügbarkeit nahm zu, neue Kundschaft konnte gewonnen werden. Dennoch sei es, wie Wirtschaftsgeographen aus Indien und Afrika berichten, mit „Fairem Handel“ nicht gelungen, „den Kapitalismus zu zähmen und die sozialen Schieflagen der Weltwirtschaft zu reduzieren“. 


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