© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/20 / 03. April 2020

Umwelt
Einfach zu dickes Eis
Paul Leonhard

Die Arbeit war umsonst. Auf der Landebahn neben der „Polarstern“ wird weder die Polar 5 noch die Polar 6 landen. Spitzbergen ist wegen der Corona-Krise geschlossen und damit die Bodenstation für die Atmosphärenforscher. Es scheint, als wolle sich Mutter Erde nicht komplett in die Karten schauen lassen. Das aber haben die Wissenschaftler vor, die an der weltgrößten Polarexpedition Mosaic beteiligt sind: Sie wollen die Wechselbeziehung des Meereises mit dem Klimaystem untersuchen, denn viele Zusammenhänge sind unklar. Deswegen driftet der Eisbrecher „Polarstern“, festgefroren an einer mächtigen Eisscholle, seit einem halben Jahr über das Nordpolarmeer. „Wachstum und Schmelzen von Meereis sind primär eine Antwort des oberflächennahen Ozeans auf veränderte jahreszeitliche Bedingungen“, heißt es auf Meereisportal.de.

Das Bundesforschungsministerium unterstützt das Klima-Projekt mit 70 Millionen Euro.

Die Meereisbedeckung kontrolliere „die Flüsse von Wärme, Feuchtigkeit und Masse über die Grenzschicht zwischen Atmosphäre und Ozean, wird aber auch ihrerseits von diesen beeinflußt“. Den Einfluß der Arktis auf das Klima glaubt Anja Karliczek (CDU), deren Forschungsministerium das Projekt mit 70 Millionen Euro unterstützt, bereits jetzt zu kennen: „Das ist die Klimaküche dort oben – und daß die Arktis sich erwärmt, und zwar doppelt so schnell wie der Rest der Erde, das zeigt schon, wie groß die Dramatik ist und daß die Geschwindigkeit beispiellos ist.“ Vielleicht haben auch die Russen auf diese ministerielle Aussage vertraut und deswegen den Versorgungseisbrecher mit zu wenig Treibstoff betankt. Der wäre fast am zu dicken Eis gescheitert. Letztlich benötigte die „Kapitän Dranitsin“ nicht nur zwei Wochen länger als geplant, um 83 Wissenschafler und 43 Tonnen Fracht zur „Polarstern“ zu bringen, sondern mußte auf dem Rückweg Treibstoff vom extra zu Hilfe geeilten Diesel-Eisbrecher „Admiral Makarow“ tanken.