© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/20 / 03. April 2020

Kabinenklatsch
E-Sport als Alternative?
Ronald Berthold

Sobald es derzeit irgendein Medium wagt, über Fußball zu berichten, lautet einer der ersten Kommentare unter dem Artikel: „Gibt es nichts Wichtigeres?“ Während einer WM würde ich antworten: Doch, aber nicht jetzt! Und heute? Da stelle ich eine Gegenfrage: Raten Sie mal, warum diese Kolumne auf dem letztmöglichen Platz dieser Zeitung steht?

Sich während der Pandemie mit Sport zu zerstreuen, fällt schwer. Es passiert ja nichts. Nichts? Es gibt immer noch den HSV. Der Aufsichtsrat feuerte jetzt Vorstandsboß Bernd Hoffmann. Die Eitelkeit des überstimmten Aufsichtsratschefs Köttgen war so verletzt, daß er gleich mit von Bord ging. Die beiden führenden Köpfe in der Zwangspause zu verlieren, muß man erst mal hinkriegen. Danke, liebe Hanseaten, daß Ihr wie immer beste Unterhaltung liefert.

Mir reicht es, meinen Kindern beim Zocken an der Konsole zuzugucken.

Was noch? Daß jetzt der E-Sport gehypt wird, ist zwar eine Lösung – aber eine lächerliche. Bild streamte tatsächlich das Pro-Evolution-Soccer-Spiel an der Playstation zwischen Bayern und Juventus. Echt jetzt? Mir reicht es, meinen Kindern beim Zocken an der Konsole zuzugucken. Das Spannendste dabei ist immer, wer als erster wütend wird. Aber der Rest? Gähn! Ich will weiterhin wissen, was mit den echten Mannschaften passiert. Auch wenn die Texte spärlich sind – und die Leser-Kommentare vorhersehbar destruktiv. Gut, das Gejammere der Vereine, die Entlohnung der Topstars demnächst eventuell um die Hälfte senken zu müssen, regt meine Empathie nur begrenzt an. Dennoch liegt darin eine interessante Botschaft. Hat der Wahnsinn bei Ablösesummen, Handgeldern und Gehältern nach der Krise vielleicht ein Ende? Setzen die Klubs vielleicht vermehrt auf den eigenen Nachwuchs statt auf Afrikaner und Südamerikaner? Kommen Jungs zum Zuge, die schon als Kinder in der Bettwäsche ihres Vereins geschlafen haben? Träumen muß während dieses Corona-Albtraums erlaubt sein.

Anders als für die Wirtschaft könnte dieses verdammte Covid-19 für den Fußball wirklich Chancen bieten. Ich weiß, es gibt Wichtigeres. Aber nicht in dieser Kolumne!